Essen. . Die schmutzige Wahrheit ist: Wer die Diesel-Debatte wirklich ernst nimmt, muss die Benziner-Diskussion noch führen. Dafür braucht’s mehr Antrieb.

Wer die Diesel-Debatte ernst nimmt, muss die Benziner-Diskussion noch führen: Es sind nicht allein die Stickoxide, die die Gesundheit gefährden können. Es sind, und daran haben Experten keine Zweifel, auch die Rußpartikel, Feinstäube und Kohlendioxid-Fahnen, die durch die Straßen wabern und den Städtern die gesunde Luft nehmen. Und diese Abgase stoßen insbesondere Benziner aus, schon weil sie fossile Stoffe in der Regel in noch größerer Menge als Dieselmotoren verbrennen.

Als sei diese schmutzige Wahrheit, um die man sich auch im öffentlichen Nahverkehr in Gestalt von Bussen mit dreckigster Technologie viel zu lange herumgedrückt hat, nicht schon beklemmend genug: Die aus dieser so verfahrenen wie dunstigen Gemengelage erwachsende Herausforderung ist noch weitaus unangenehmer. Anstatt absurde Vorschläge eines kostenlosen Nahverkehrs in Richtung EU zu starten, Pendlerparkplätze en masse zu planen, für die womöglich auch noch Bäume fallen müssen, oder eine nach der anderen ebenso wenig zu Ende gedachte Lösung in die Debatte zu werfen, sollten alle Beteiligten besser der unbequemen Wahrheit konzentrierter ins Auge sehen: Wir brauchen einen starken gesellschaftlichen Antrieb für ganz neue Antriebe, müssen ganz andere Autos, kleinere, schmalere, leichtere fahren, uns vielleicht auch noch vielfältiger zuverlässig fortbewegen können, wenn wir das Klima, unsere Gesundheit und die unserer Kinder tatsächlich schonen wollen.

Beliebige Grenzwerte und nicht belegte Sterberaten

Stattdessen stecken wir im Innovationsstau und fest in einer Dieseldebatte, bei der es sich mehr um eher beliebige Grenzwerte als um belegte Sterberaten dreht. Dabei sollten wir schon mittendrin in einer Zukunftsdebatte über Mobilität sein. Sind wir aber nicht, weil der Konsens sichtbar noch nicht groß genug ist, die Gesetze der allgemeinen Bequemlichkeit zu brechen.

Viele sitzen das Problem aus, weiterhin: Wer mit einem Dreck schleudernden SUV zum Einkauf im Bioladen fährt, führt das ganze Drama der Absurditäten auf vier Rädern tagtäglich öffentlich auf. Und die Hersteller schauen applaudierend zu: Der Boom bei den sportlichen Geländewagen – immer größer, immer schwerer – lässt die Kassen klingeln und den Dieselskandal zumindest finanziell verschmerzen.

Zeche für die Betrügereien sollen die Kunden zahlen

Diese Kisten verbrauchen mehr, doch die Kunden reißen sie den Herstellern aus der Hand. Dicke Autos bringen noch fettere Gewinne. Die Autoindustrie streicht sie ein, erhöht die Dividende für Aktionäre und die Boni der Bosse und tritt ansonsten auf die Bremse: Die Zeche für ihre Abgas-Betrügereien sollen doch die Kunden zahlen. Schließlich, so die Argumentation, habe das Kraftfahrtbundesamt doch alle Fahrzeuge – ob mit oder ohne Abgastricks – zugelassen.

Die Situation ist verfahren und wir sollten schon ordentlich Gas geben, um diese verkehrte Welt hinter uns zu lassen. Schnellstmöglich. Dabei gilt allerdings immer: Im Zweifel muss die Gesundheit Vorfahrt haben.