Essen. . Professor Christian Taube, Spezialist für Lungenerkrankungen, über die Belastung durch Stickoxide und die Frage, ob Fahrverbote angemessen sind.
Fahrverbote für Dieselfahrzeuge rücken näher, auch in Essen. Sie gelten als hauptverantwortlich dafür, dass der Grenzwert für Stickoxide überschritten wird, zum Beispiel an der viel befahrenen Gladbecker Straße. Es werden aber auch kritische Stimmen laut, die die gesundheitsschädliche Wirkung von Stickoxiden anzweifeln. Die Redaktion sprach darüber mit Professor Christian Taube, Direktor der Klinik für Pneumologie an der Ruhrlandklinik in Heidhausen.
Herr Professor Taube, wie gefährlich sind Stickoxide?
Prof. Christian Taube: Es gibt genug Studien, die belegen, dass hohe Umweltbelastungen durch Stickoxide, durch Feinstaub und durch Rußpartikel schädlich für Herz und Lunge sind. Ich halte es jedoch nicht für sinnvoll, sich auf einen einzigen dieser Stoffe zu fokussieren. Stickoxide werden gern genommen, weil sie gut und reproduzierbar gemessen werden können, um die Umweltbelastung in irgendeiner Art zu objektivieren.
Die aktuelle Debatte um Stickoxide greift also zu kurz?
Nur zu sagen, Stickoxide sind schädlich, wäre in der Tat zu kurz gegriffen. Feinstaub und Rußpartikel scheinen ja viel schädlicher zu sein. Wenn, dann muss man die gesamte Belastung vermindern.
Das Bundesumweltamt hat jüngst eine Studie veröffentlicht, wonach pro Jahr bis zu 8000 Menschen durch Stickoxide sterben. Wie realistisch ist das?
Da muss man vorsichtig sein. Es gibt ja mehrere Experten, die solche Studien durchaus kritisch sehen, weil man halt davon ausgehen muss, dass Stickoxide gemessen werden. Es spielen aber auch andere Faktoren, wie etwa Feinstaub und Rußpartikel, eine Rolle. Da gilt es genau zu differenzieren.
Ihr Kollege, der Lungenspezialist Dieter Köhler, ehemals Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, vertritt die Auffassung, die Gesundheitsgefahren würden aufgebauscht. Teilen Sie diese Einschätzung?
Es gibt durchaus Daten, die belegen, dass sehr hohe Belastungen schädlich sind, insbesondere für Patienten mit chronischen Erkrankungen. Auch bei Kindern lassen sich negative Effekte nachweisen in Bezug auf das Lungenwachstum und auf die Entwicklung von chronischen Atemwegserkrankungen. Dennoch muss man die jetzt publizierten Studien kritisch hinterfragen: Auf welchen Daten basieren sie? Welche sinnvollen Rückschlüsse lassen sich daraus ziehen?
Auch gesunde Menschen sind betroffen
Wie steht es um die Gesundheitsbelastung für jemanden um die 40, der kerngesund ist und viel Sport treibt?
Man hat herausgefunden, dass zum Beispiel positive Effekte von körperlichem Training deutlich geringer ausfallen, wenn man an einem Ort trainiert, wo man hohen Schadstoffbelastungen ausgesetzt ist. Das bedeutet: Auch bei Gesunden sehen wir Effekte. Wie diese bei einer langfristigen Belastung biologisch zu bewerten sind, ist allerdings schwer zu sagen.
Die Grenzwerte am Arbeitsplatz sind sogar noch höher als an Straßen.
Auch da muss man unterscheiden. Die Grenzwerte am Arbeitsplatz sind für gesunde Personen gedacht, die nur eine bestimmte Zeit einer Belastung ausgesetzt sind. Bei der Umweltbelastung ist es so, dass auch Kinder und Patienten mit chronischen Erkrankungen betroffen sind – und zwar langfristig. Deshalb sind die Grenzwerte niedriger angesetzt.
Die negativen Effekte durch Rauchen sind größer
Leben Raucher nicht viel gefährlicher?
Eine Zigarette beinhaltet mehr als 4000 unterschiedliche Substanzen, die schädlich für die Lunge sind. Rauchen ist schlecht, passiv Rauchen ist auch schlecht und die negativen Effekte sind weitaus größer als die durch die Umwelt. Rauchen ist eine Suchterkrankung, klar. Dennoch gibt es eine gewisse Entscheidungsfreiheit: Rauche ich, oder rauche ich nicht? Der Umweltbelastung sind Raucher wie Nichtraucher ausgesetzt
Sind denn Fahrverbote für Dieselfahrzeuge überhaupt hilfreich?
Eine Reduktion von Schadstoffen ist sicher sinnvoll, wenn sehr hohe Werte erreicht werden. Ein Großteil der Schadstoffbelastung wird wahrscheinlich durch den Straßenverkehr verursacht. Die Frage ist, welche Maßnahme ist die Beste zur Schadstoffreduktion?
Wären Fahrverbote angemessen?
Ob Fahrverbote angemessen sind oder ob es geeignetere Maßnahmen gibt – diese Entscheidung muss letztendlich von der Politik getroffen werden. Es wäre aber gut, wenn entsprechend eingesetzte Maßnahmen wissenschaftlich begleitet werden, um den Effekt auf die Gesundheit des Menschen zu untersuchen.
Marcus Schymiczek