Essen. . Vor zehn Jahren eröffnete das Diakoniewerk das Restaurant Church, das mit Qualität überzeugen will – und Menschen ausbildet, die Handicaps haben.
Viele Mitarbeiter haben ein Handicap oder machen hier Gemeinwohlarbeit, andere sind Flüchtlinge oder Schülerpraktikanten, mancher leistet gerade Sozialstunden ab: willkommen im „Church“. Seit zehn Jahren gibt es das ungewöhnliche Restaurant des Diakoniewerks, das weniger an das soziale Gewissen seiner Gäste appelliert als an deren Geschmacksnerven.
Nun gehört der Betrieb eines Lokals nicht zum Kerngeschäft eines Wohlfahrtsverbandes. Doch als das Haus der Kirche vom Kennedyplatz an den III. Hagen zog, „hatte ein Mitarbeiter unserer Beschäftigungsgesellschaft die Idee für das Restaurant“, sagt der Sprecher des Diakoniewerks, Bernhard Munzel.
Church ist ein Erprobungsfeld für Menschen mit Problemen am Arbeitsmarkt
Es sollte frische, regionale Küche bieten und dem Haus ein freundliches Gesicht geben, es nach außen öffnen. Selbstverständlich, aber nicht demonstrativ, sollte es einen sozialen Zweck erfüllen: Hier erhalten Menschen, denen der erste Arbeitsmarkt versperrt bleibt, eine Chance, ein Berufserprobungsfeld.
Geleitet wird das Church von Restaurantfachfrau Judith Sporken, die 30 Jahre Berufserfahrung, – auch in der Sterne-Küche – hat. „Hier geht es lockerer zu, aber dieser Job hat mehr Tiefe: Es ist schön, wenn man Menschen auf einen guten Weg bringen kann.“
Nach Raubüberfall hunderte Sozialstunden geleistet
Etwa die Frau, die wegen bewaffneten Raubüberfalls hunderte Sozialstunden im Church ableistete. Ihr Mann hatte sie zu der verbrecherischen Dummheit überredet, und sie nutzte die Gelegenheit zur Resozialisierung mit Eifer. „Sie war eine tolle Hilfskraft und arbeitet nun in einem renommierten Restaurant“, erzählt Volker Schöler, Leiter die Gesellschaft für Arbeit und Beschäftigung des Diakoniewerks.
Eine andere Mitarbeiterin mit einer Lernbehinderung hatte ihren Ausbildungsplatz schon einmal durch Kündigung, einmal durch Insolvenz verloren, bevor sie ins Church kam. „Ein halbes Jahr vor der Prüfung!“, erinnert sich Judith Sporken. Die junge Frau brauchte viel Hilfe, aber der Wille war da, „und sie hat es geschafft“.
13 erfolgreich abgeschlossenen Ausbildungen im Church
Insgesamt stehen heute 13 Mitarbeitern, die ihre Ausbildung mit Erfolg abgeschlossen haben, nur zwei gegenüber, die gescheitert sind. Und im Sommer machen drei weitere aus dem Team ihre Prüfung.
Im Church bekommen auch die eine Chance, denen es – noch – an Deutschkenntnissen, Umgangsformen, Teamgeist oder Pünktlichkeit mangelt, die der Rechtschreibung oder ihrem äußeren Erscheinungsbild zu wenig Beachtung schenken. Über Praktika, Einstiegsqualifizierungen, Arbeitsmaßnahmen wird ihnen der Weg in die Ausbildung geebnet.
Draußen sind die Arbeitsbedingungen härter
Sie werden Köche, Beiköche, Servicekräfte, Restaurantfachleute, Fachkräfte im Gastgewerbe. „Allen, die wir ausgebildet haben, konnten wir etwas anbieten: mal in der Küche einer Kita, mal in der Spitzengastronomie“, sagt Schöler.
Dort müsse sich mancher auf härtere Arbeitsbedingungen umstellen, weiß Judith Sporken. Angefangen mit den Arbeitszeiten, die im Church traumhaft sind: Sonntags ist geschlossen, abends ist in der Regel um 18 Uhr Ende.
Kleine Fehler werden dem höflichen Team verziehen
Auch Ton und Tempo sind hier gedrosselt, es wird mehr erklärt, größere Nachsicht geübt. Höflichkeit sei indes die Tugend, die alle mitbringen müssten – wie überall in der Gastronomie. „Außerdem werden kleine Fehler eher verziehen, wenn die Mitarbeiter freundlich sind.“
Die Küche müsse ohnehin überzeugen: von Currywurst bis Vitello Tonnato. Während es kaum Laufkundschaft gebe, habe sich der Mittagstisch in den Banken und Büros herumgesprochen. 16 000 Mittagessen hat das Church 2017 verkauft, 29 000 Gäste begrüßt. Auch Frühstück, Catering, Abendveranstaltungen gehören zum Geschäft.
Um Qualität wie Qualifizierung gewährleisten zu können, muss jedoch ein enormer Aufwand betrieben werden. In ganz schlechten Zeiten sahen sich auch mal Unternehmungsberater im Church um. Seither habe man das Defizit Jahr für Jahr verkleinert, sagt Munzel. „Eine schwarze Null werden wir nie schreiben.“ Bleibt der enorme Mehrwert für alle, die hier aus dem Abseits ins Arbeitsleben starten.
>>> AM 28. FEBRUAR 2018 WIRD GEFEIERT
Das Restaurant Church des Diakoniewerks, III. Hagen 39, in der City (am Salzmarkt, nahe Kennedyplatz) ist geöffnet: Mo bis Sa, 9 bis 18 Uhr. Reservierungen unter: 22 05 247.
Am Mittwoch, 28. Februar, wird das zehnjährige Bestehen gefeiert, u.a. gibt es das Tagesgericht zum damaligen Eröffnungspreis von 5 Euro.