Die „Essener Tafel“ ist in aller Munde, seit bekannt wurde, dass sie bis auf weiteres keine Migranten mehr aufnimmt. Fast keine Zeitung, kein Magazin, keine Nachrichtensendung, die nicht darüber berichtet hätte. Die Redaktion sprach darüber mit Jörg Sartor, dem Leiter der „Tafel“. Als wir den 62-Jährigen erreichen, wirkt er ein wenig genervt. Sartor gibt uns zwei Minuten. Es werden dann doch ein paar Minuten mehr.

Die „Essener Tafel“ ist in aller Munde, seit bekannt wurde, dass sie bis auf weiteres keine Migranten mehr aufnimmt. Fast keine Zeitung, kein Magazin, keine Nachrichtensendung, die nicht darüber berichtet hätte. Die Redaktion sprach darüber mit Jörg Sartor, dem Leiter der „Tafel“. Als wir den 62-Jährigen erreichen, wirkt er ein wenig genervt. Sartor gibt uns zwei Minuten. Es werden dann doch ein paar Minuten mehr.

WAZ: Herr Sartor, da haben Sie aber ganz schön was losgetreten. Sind Sie überrascht?

Jörg Sartor: Ja. Der Beschluss stand seit dem 8. Dezember auf unserer Internetseite. Seit dem 10. Januar – wir machen jeden Mittwoch Neuaufnahme – schicken wir jeden Mittwoch 40 bis 50 Leute nach Hause. Es gab soziale Einrichtungen, Diakonie und Caritas, die nachgefragt haben. Wenn wir denen erklärt haben, warum, kam auch kein Protest.

Dann berichtete die WAZ.

Und jeder hat noch was oben drauf gepackt. Leider fehlte in dem Bericht ein entscheidendes Wörtchen: Wenn in der Überschrift „vorübergehend“ gestanden hätte, wäre die Kuh längst vom Eis. Dann wäre sie erst gar nicht erst ins Galoppieren gekommen.

Die Kuh ist bis nach Berlin galoppiert; Kritik gab es sogar von der Sozialministerin. Fühlen Sie sich missverstanden?

Ich fühle mich nicht nur missverstanden, ich empfinde das vor allem meinen Mitarbeitern gegenüber als eine Unverschämtheit. Die machen seit 20 Jahren Tafel. Seit 20 Jahren habe ich immer schon einen höheren Anteil an ausländischen Bürgern gehabt als der Anteil an der Bevölkerung. Und auch jetzt ist es nicht so, dass wir von heute auf morgen keine Ausländer mehr aufgenommen hätten. Dann auf einmal so eine Welle zu machen von Politikern, die überhaupt nicht wissen, worum es geht, die keine Ahnung haben, was bei uns abgeht und dann auf der Tafel, auf den Ehrenamtlichen rumhacken – ein Sartor ist sieben Mal die Woche da. Ich mache nicht weniger Stunden als diese Politiker, und das ehrenamtlich!

Kritik gab es aber auch von Ihrem Bundesverband. Der sollte doch wissen, was an der Basis los ist.

Glauben Sie wirklich, ein Bundesverband weiß, wie es an der Basis aussieht? Dann glauben Sie auch, ein Zitronenfalter faltet Zitronen.

Sie haben sich dem Vorwurf ausgesetzt, Sie diskriminieren Menschen aufgrund ihrer Herkunft.

Wenn uns einer vorwirft, wir wären ausländerfeindlich oder rechtsradikal oder rassistisch – mit Verlaub gesagt, der hat sie nicht mehr alle auf dem Zaun. Aber die Realität wird ja gar nicht richtig dargestellt. Es wird von Schubsen, Schieben und Hauen gesprochen. Das Schubsen, Drängeln, der „böse Ausländer“ – das ist nicht das Problem, darum ging es nicht.

Worum ging es dann?

Darum, dass sich die Leute nicht mehr wohlgefühlt haben.

Sie meinen die „deutschen Omas“?

Wir haben uns gefragt, warum kommen die nicht mehr. Dann haben wir sie auch angesprochen.

Und was haben Ihnen die Leute geantwortet?

Dass sie sich nicht mehr wohlfühlen. Weil es ein Ungleichgewicht gibt. Das geht nicht gegen Syrer, gegen Iraker oder gegen sonst jemanden.

Leute fühlen sich nicht mehr wohl, allein weil mehr Migranten da waren?

Sagen wir mal so: Viele benehmen sich anders. Die Anstellmentalität ist häufig nicht so da, die Erwartungshaltung ist höher. Es ist so, dass viele meinen, wir wären verpflichtet, Lebensmittel auszugeben, wir wären eine staatliche Einrichtung. Sind wir aber nicht. Es ist ja nicht so, dass sich nur unsere Kunden nicht mehr wohlgefühlt haben, sondern auch unsere Mitarbeiter.

Wie haben die Menschen auf den Aufnahmestopp reagiert?

Alle Menschen, die wir nach Hause schicken mussten, haben das hingenommen. Ohne Protest, weil wir ihnen vernünftig erklärt haben, warum wir das jetzt so machen. Jeder hat das akzeptiert, auch diejenigen mit Sprachproblemen: Danke, wie lange? Wann können wir wiederkommen? Dann haben wir gesagt, schauen Sie in sechs bis acht Wochen ins Internet. Dann wird sich das wieder erledigt haben.