Essen-Bedingrade. . Zeichnungen und Fotos der ersten Ballone und Luftschiffe sind die ältesten Zeitzeugen im Essener Luftfahrtarchiv des Frank Radzicki.
„Das ist das LZ 130, das Schwesternschiff der Hindenburg, die am 30. August 1939 auf dem Flughafen Essen-Mülheim landete“, sagt Frank Radzicki. Ein flüchtiger Blick auf das Foto reicht ihm. Der 53-Jährige Postbeamte im vorgezogenen Ruhestand kennt sich aus. Er arbeitet und führt privat seit Jahrzehnten das Essener Luftfahrtarchiv.
Schränke sind voll Bücher, Akten und Modelle
Sein Interesse an der Luftfahrt ist in seinem Wohnzimmer in Bedingrade schwer zu übersehen. Hinter den Türen der Massivholzschränke und -Vitrinen, die die schweren Ledermöbel einrahmen, sind bis an den Rand gefüllt mit Büchern, Akten und Modellen. Und was nicht in die Vitrinen passt, steht oben drauf. „Das ist aber noch längst nicht alles“, sagt Frank Radzicki. Im ehemaligen Kinderzimmer seiner Tochter, im Keller und in der Garage stehen weitere Kisten mit Wissens- und Bewahrenswertem über die Luftfahrt im Allgemeinen und in Essen im Besonderen. Wieviel Stücke es sind? Er weiß es nicht.
Frank Radzicki und die Luftfahrt finden früh zueinander. In der Werkssiedlung, in der er aufwuchs, weckt ein Nachbarjunge in ihm das Interesse. In jeder freien Minute basteln sie im Keller Modelle. „Im Haus roch es immer arg nach Farbe und Nitro“, erinnert sich der 53- Jährige. Nach ein paar Sekunden fällt ihm auch sein erstes Modell ein: ein Drei-Decker von Richthofen in zwanzig Teilen.
Militärmodelle sind „patriotisches Spielzeug“ in der DDR
Schon bald reichen ihm Modelle nicht mehr, er interessiert sich für die Geschichte und Fotos, für Flugzeugtypen und Flughäfen. Dazu nimmt er Kontakt zu anderen Sammlern auf. Auch inner-deutsch. „Was nur die wenigsten wissen, es gab von 1955 bis 1963 eine Deutsche Lufthansa der DDR“, erzählt Radzicki. Zum Beweis nimmt er vorsichtig zwei Modelle von der Vitrine und verweist auf den Schriftzug an der Seite und der Flagge mit Hammer und Zirkel am Höhenruder. „Modelle militärischer Flieger hießen ,patriotisches Spielzeug“ in der DDR“, erzählt Radzicki. Irgendwann musste der Bedingrader sein Interessengebiet begrenzen, da er neben der Fliegerei sich auch für Fußball (Schalke, ETB Schwarz-Weiß) und Beat (Musik der 1960er-Jahre) interessiert. Davon zeugen die Wimpel an der Wand und Kopien von „Beat-Club“-Sendungen.
Archiv wurde im Jahre 1999 gegründet
Frank Radzicki beschließt, sich auf die deutsche Luftfahrt zu beschränken. Später schränkt er es auf die Luftfahrtgeschichte in Essen und Umgebung ein. 1999 gründet er das Essener Luftfahrtarchiv. Heimathistoriker Hugo Rieth von der Margarethenhöhe, der 2006 stirbt, vermacht ihm ein Großteil seines Archivs. Frank Radzicki hat auch lange Kontakt zu einem Kreis ältere Flieger. „Alle in den 1920er-Jahren geboren. Die haben viel zu erzählen.“ Manchmal findet er sogar auf dem Flohmarkt einen kleinen Schatz wie eine Originalpostkarte des Heisinger Fliegerdenkmals. Für zwei Mark wechselt sie in sein Archiv.
Informationen zu historischen Recherchen
Frank Radzicki hütet seinen Fundus, lässt aber andere gern an ihm teilhaben. So wie die deutsch-amerikanische Luftfahrthistorikerin Evelyn Zegenhagen. „Sie recherchierte für ein Buch über deutsche Fliegerinnen.“ Zum Kapitel über die Essener Fliegerin Thea Rasche trug Frank Radzicki entscheidend bei.
Die lokale Luftfahrtgeschichte beginnt nicht erst mit der Landung von LZ 130. Schon um die Jahrhundertwende starteten große Ballone zu ihren Fahrten in Essen. Auch davon hat Frank Radzicki, der zwar keine Flugangst hat, aber auch nicht gerade als Vielflieger bezeichnet werden kann, Bilder und Bildbände. „Das werde ich wohl alles eines Tages dem Stadtarchiv vermachen.“
>>> Autor von zwei historischen Büchern
Frank Radzicki arbeitet bei der Arbeitsgemeinschaft Essener Geschichtsinitiativen mit und gehört auch der Arbeitsgemeinschaft Flughafen und Ökologie an.
Er hat die Bücher „80 Jahre Flughafen Essen-Mülheim“ und „Der Traum vom Fliegen im Ruhrgebiet“ geschrieben, deren Auflage allerdings vergriffen ist.