Essen. . Der Essener Komponist Juan Allende-Blin wird am Samstag 90 Jahre alt. Strawinskys-These, es gebe keine politische Musik, widerspricht er.

Wenn Juan Allende-Blin am Samstag seinen 90. Geburtstag feiert, dann hindert ihn das fortgeschrittene Alter nicht daran, mit großem Fleiß weiter zu komponieren. Seit 1971 wohnt der gebürtige Chilene in Bredeney. Und hier arbeitet er nach wie vor mit wachem Geist.

Im Grunde ist Juan Allende-Blin ein stiller Mensch, der Provokationen nicht sucht und trotzdem mit seinem Werk und seiner Lebensführung auf beträchtliche Widerstände gestoßen ist. Dazu zählt, dass er sich nach seiner Übersiedlung nach Deutschland im Jahre 1951 nicht damit abfinden wollte, dass hier von einer Aufbereitung der Nazi-Vergangenheit nichts zu spüren gewesen ist und er an den Schaltstellen der kulturellen Macht den braunen Größen der dunklen Vergangenheit begegnete.

Allende-Blin geht gegen Strawinsky-These

Strawinskys These, es gebe keine politische Musik, widerspricht er seitdem heftig. Ein Musiker trägt für ihn immer auch politische Verantwortung.

Hinzu kam die Begegnung mit dem Organisten und Komponisten Gerd Zacher an der Musikakademie in Detmold, an der beide studierten. Zacher mischte mit seiner experimentellen Spielweise und seiner weltoffenen Haltung gegenüber der Musik aller Zeiten und Länder die konservative, teils reaktionäre Kirchenmusik der 50er-Jahre mächtig auf und fand in Juan Allende-Blin nicht nur einen musikalischen Verbündeten, sondern auch seinen zukünftigen Lebenspartner.

Die schwere Wohnungssuche in Essen

Eine künstlerische und private Verbindung, die seinerzeit heftige Widerstände provozierte, aber bis zum Tod Gerd Zachers vor vier Jahren eisern gepflegt wurde. Von den zahlreichen Kompositionen, die Allende-Blin seinem Freund gewidmet hat, schätzt er „Mein blaues Klavier“ aus dem Jahre 1970 ganz besonders.

Drei Konzerte zum 90. Geburtstag

Am 4. März um 11 Uhr würdigen die Duisburger Philharmoniker den Jubilar im Foyer des Theaters im Rahmen eines Kammerkonzerts.

In Essen folgen im Oktober zwei Konzerte im Dom und in der Stadtbibliothek.

Mehr Infos zum Komponisten unter: www.allende-blin.de

Eine Wohnung zu finden, wurde für das Paar zur Ochsentour. Hilfe erhielten die beiden von dem Choreografen Kurt Jooss in Essen, der bereits 1940 in Santiago de Chile mit einer Aufführung seines bahnbrechenden Balletts „Der grüne Tisch“ den 12-jährigen Juan faszinierte. 1951 kam es in Essen zur ersten persönlichen Begegnung.

Onkel war ein Freund von Claude Debussy

Das spießige politische Klima in Deutschland empfand Allende-Blin in den 1950er-Jahren umso schockierender, da er in Santiago in einer weltoffenen Musikerfamilie aufgewachsen ist. Die Eltern haben französisch-spanische Wurzeln, sein Onkel, zugleich sein erster Kompositionslehrer, war ein Freund von Claude Debussy, und das Haus wurde zum Treffpunkt vieler europäischer Exilanten, zu denen auch Größen wie die Dirigenten Fritz Busch und Erich Kleiber sowie der Pianist Claudio Arrau gehörten.

Als der Dirigent Hermann Scherchen einige Lieder Allende-Blins in Santiago aufführte, suchte er den Kontakt zu dem jungen Komponisten. Scherchens auffordernde Frage: „Was machen Sie hier? Gehen Sie nach Deutschland.“

Mitverantwortung für die Welt

Das tat Juan Allende-Blin auch 1948 und entwickelte sich zu einem Komponisten, der im Umfeld befreundeter Musiker wie Pierre Boulez, György Ligeti, Mauricio Kagel, Olivier Messiaen und John Cage mit Talent und Beharrlichkeit hohes Ansehen erwarb und mit eher leisen Tönen, ohne Agitprop-Getöse, umso eindringlicher an die Mitverantwortung des Künstlers für den Zustand der Welt appellierte.