Essen. . Kinderschutzbund lässt seit 20 Jahren Stück aufführen, das sexuellen Missbrauch thematisiert. Doch viele Stiftungen zögern beim Engagement.
Ein Theaterstück kann sexuellen Missbrauch nicht verhindern. Aber es kann Kinder auf Gefahren aufmerksam machen, die vor allem in Familien lauern. Seit genau 20 Jahren lässt der Kinderschutzbund vor dritten und vierten Klassen der Essener Grundschulen das Stück „Mein Körper gehört mir“ aufführen. Dafür reisen jeweils zwei Theaterpädagogen aus Osnabrück an, um den Kindern beizubringen, dass man im Umgang mit Erwachsenen zum Beispiel auf sein Bauchgefühl achten soll. Und am Ende werden Stellen bekannt gegeben, die Hilfe leisten. „Nach jeder Aufführung rufen oft Kinder bei uns an – einfach nur, um allgemeinen Kummer loszuwerden“, berichtet Kathrin Lorch vom Kinderschutzbund. Manchmal kommt es aber auch vor, dass ein Fall von Kindesmisshandlung aufgedeckt wird. „Weil die Kinder durch das Theaterstück ermuntert wurden, sich zu öffnen.“
„Es wird schwerer, Spenden einzusammeln“
Zuletzt wurde „Mein Körper gehört mir“ an 75 Grund- und Förderschulklassen gezeigt – Tendenz sinkend: „Es wird immer schwerer, Spenden dafür einzusammeln“, berichtet Lorch. Das Langzeit-Projekt ist jedes Jahr neu auf Almosen angewiesen, obwohl es unter Pädagogen als bewährter Klassiker in der Vorbeugungsarbeit gegen sexuellen Missbrauch gilt. Kosten: Rund 300 Euro pro Besuch des Osnabrücker Ensembles. Kathrin Lorch klappert jährlich neu Mäzene und Stiftungen ab und macht die Erfahrung: „Vor allem große Stiftungen tun sich schwer, denn ihnen geht es vor allem darum, neue Projekte zu fördern. Ich wende dann immer ein: ,Aber für die Kinder ist das Stück neu.’“
Doch das zählt nicht unbedingt: Von einer regelrechten „Innovationswut bei einigen Stiftungen“ spricht Stefan Stolte, Mitglied der Geschäftsleitung des Deutschen Stiftungszentrums in Heidhausen. Dort wird bundesweit die Arbeit von 700 Stiftungen koordiniert. „Von innovativen Projekten erhoffen sich die Stiftungen, dass sie auf ihr Image abfärben.“ Keine Frage, dass ein Theaterstück, das seit 20 Jahren aufgeführt wird – obwohl stets Aktualisierungen und neue Elemente eingebaut werden – nicht unbedingt als „innovativ“ gilt.Stolte: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass nach zwei oder drei Jahren das Interesse mancher Stiftungen nachlässt, sich für dasselbe Projekt zu engagieren.“ Langfristige Engagements würde Stolte „sehr begrüßen“. Sie seien bislang „selten, aber sehr wertvoll.“
Stück fiel aus, „weil kein Geld da war“
Die Folge der chronischen Knappheit: „Bei uns musste das Stück im letzten Jahr ausfallen“, heißt es an einer Grundschule im Essener Norden. „Es war einfach kein Geld dafür da. Und einen Förderverein, der uns unterstützt, haben wir nicht“, berichtet die Konrektorin der Schule. An einer anderen Grundschule konnte „Mein Körper gehört mir“ zuletzt nur deshalb aufgeführt werden, weil ein Verein aus einer Nachbarstadt einsprang, der die Kosten übernahm.
Weil das Geld chronisch knapp ist, verteilt der Kinderschutzbund die Mittel vor allem an jene Grundschulen, die in angeblichen Brennpunkten liegen. Doch sexueller Missbrauch ist kein Phänomen, das nur in armen Quartieren stattfindet.
Fündig wird Kathrin Lorch vom Kinderschutzbund bei der Suche nach Geldgebern häufig bei stillen Spendern, die nicht genannt werden wollen, oder bei kleinen Stiftungen im Stadtgebiet, die Beiträge von 4000 oder 5000 Euro locker machen können. „Dass das jedes Jahr eine neue mühsame Arbeit ist, kann man sich wohl denken“, sagt sie.
>> Kinderschutzbund telefonisch für Kinder erreichbar
Der Kinderschutzbund betreibt in der Innenstadt das Kinderschutz-Zentrum. Es ist telefonisch auch für Kinder und Jugendliche erreichbar, die große und kleine Sorgen loswerden wollen: Die Telefon-Nummer lautet 202012.
Schulen können beim Kinderschutzbund eine Aufführung beantragen, die Bewerbungsphase startet im September jeden Jahres. Gebucht werden kann das Stück und zusätzlich ein Elternabend, der über das Thema aufklärt.