Essen. . An Essener Schulen gibt es „Benimm-Kurse“. Da geht es nicht um Artigkeiten, sondern um Grundlegendes – zum Beispiel, wie man einen Raum betritt.
Wir sind an einer Förderschule. Ein Klassenraum, ein Stuhlkreis, ein Dutzend Jugendlicher, die bald die Schule verlassen. An der Wand hängt ein blaues Plakat – darauf kann man lesen, wohin die Reise gehen soll: Mit dickem Filzstift haben die Schüler aufgeschrieben, welche „Orientierungsmaßnahmen“ an den Berufskollegs angeboten werden, und welchen Abschluss man dafür braucht. „Orientierungsmaßnahmen“ sind für viele der erste Schritt, um Fuß zu fassen in der Berufswelt. Und auch für die muss man sich bewerben, sich irgendwo vorstellen.
Die Förderschule am Steeler Tor ist die derzeit einzige Förderschule in Essen, die von einem Angebot der Malteser profitiert – die bieten seit Jahren Benimmkurse für Schüler an. Es geht dabei nicht um Knicks und Diener und Artigkeiten, sondern um Grundsätzliches.
Schauspielerin kiekst, Schüler kichern
Schauspielerin Maria Wolf betritt den Raum. Das heißt, nein, sie betritt ihn gar nicht: „Entschuldigung“, kiekst sie etwas atemlos und bleibt im Türrahmen stehen, „ich wollte nur wissen, also, ähm, ich soll mich irgendwo vorstellen.“ Die Schüler kichern.
Fünf Minuten später: Maria Wolf betritt breitbeinig den Raum, geht direkt durch zum Lehrerpult, gibt Schülern ungefragt die Hand, raunt: „Ich soll mich hier vorstellen.“ Ihre Schultern hängen herunter, als würde sie etwas Schweres tragen.
In der ersten Szene war sie zu schüchtern, in der zweiten zu arglos. Schließlich zeigt sie, wie es richtig geht – das Reinkommen in einen Raum: Bleibt an der Tür stehen, entschuldigt sich mit ruhiger, fester Stimme fürs Stören, fragt, ob sie hier richtig sei. Und eindrucksvoll ist bewiesen: „Der erste Eindruck ist sehr wichtig und nur schwer bei anderen Menschen noch zu korrigieren“, erklärt sie. Die Schüler nicken verständig.
Benimm-Kurse gibt es seit 2011
„Wir sind froh, dass die Jugendlichen von einem externen Gast lernen, dass Körpersprache wichtig ist, und worauf es auch ankommt“, sagt Barbara Bungart, die gemeinsam mit Thomas Schmalstieg die Klasse leitet. „Wenn wir als Lehrer das vermitteln würden, käme es weniger an.“
Die Malteser sind regelmäßig seit dem Jahr 2011 mit einem Team von Ehrenamtlichen und Experten wie der Schauspielerin an Schulen im Stadtgebiet zu Gast. „Der Bedarf ist überall da, wir gehen an viele unterschiedliche Schulformen, denn nicht immer werden grundsätzliche Regeln des Zusammenlebens zu Hause noch vermittelt“, sagt Marion Wiemann von den Maltesern.
Zurück zum ersten Eindruck: Es ist auch wichtig, wie man jemandem die Hand gibt. Maria Wolf geht reihum im Stuhlkreis, gibt jedem Jugendlichen die Hand. Dabei schaut sie jedes Mal weg, blickt den Schülern nicht in die Augen. „Wie wirkt das?“, fragt sie nachher in die Runde. „Wenn man einen beim Begrüßen nicht anguckt, ist das, als ob man sagt: Ich hab’ kein’ Bock auf dich!“, sagt ein Schüler. Deutlicher kann man’s kaum zusammenfassen.