Essen-Stoppenberg. . Die Straße im Schatten der Zeche Zollverein gilt als Hauptverbindung von Stoppenberg über Katernberg und Schonnebeck nach Gelsenkirchen.
Wer zum Weltkulturerbe Zollverein unterwegs ist, für den ist die Gelsenkirchener Straße Pflichtprogramm. Von Stoppenberg aus führt die Straße, die einst auch einmal Mittelstraße hieß, an der vom Strukturwandel verzauberten Zeche vorbei, um sich über Katernberg und Schonnebeck bis in die Knappenstadt zu schlängeln. „Die Straße war und ist noch immer die Hauptverbindung nach Gelsenkirchen“, sagt Gerd Henkies.
Gerd Henkies (76) kennt sich aus. Bis zu seinem 28. Lebensjahr lebte er in Stoppenberg, wohnt jetzt im Essener Süden. Seine alte Heimat hat er nie vergessen. „1995 fiel mir ein Prospekt vom Geschichtskreis Stoppenberg in die Hände.“ Doch statt des erwarteten Vortrages entpuppte sich der Volkshochschulkurs als Mitmach-Angebot. „Das hat mir gefallen und so blieb ich.“
Im Geschichtskreis lernte Gerd Henkies auch Ute Linnenbrink (76) kennen. Sie lebt bis heute in Stoppenberg, hat an der Gelsenkirchener Straße gewohnt. „Das war kurz nach dem Krieg, seitdem hat sich hier viel verändert.“ Nun stehen beide am Stoppenberger Markt („Barbarossaplatz sagt hier niemand“), wo die Gelsenkirchener Straße beginnt. Sie erinnert sich: „Hier stand früher der Oberhof Stoppenberg, oder Schultenhof, wie er in den Urkunden des Stiftes Stoppenberg heißt.“ Erstmals 1220 erwähnt, wurde der Hof – zuletzt als Schreinerei genutzt – im Jahr 1965 abgerissen.
Vater Heinrich fuhr ein als Bergmann auf Zollverein
Mit ihren Eltern und Bruder lebte Ute Linnenbrink in einem Zechenhaus, Hausnummer 53. Ihre Mutter wachte am Herd, ihr Vater Heinrich fuhr ein auf Zollverein, wie so viele im Zechendreieck Zollverein, Ernestine und Helene an der Grenze zu Altenessen. Zollverein gehört seit 1968 zu Stoppenberg. Auch Fuhrunternehmer Walter Schäfer verdiente durch Kohlentransporte sein Geld, hatte sein Geschäft aber skurrilerweise um Hochzeits- und Beerdigungsfahrten erweitert.
Als Zollverein am 23. Dezember 1986 die Kohleförderung einstellte und 1993 auch die Kokerei schloss, hatte der Bergbau das Quartier über 150 Jahre lang nachhaltig geprägt – positiv wie negativ. Den Menschen gab sie Arbeit, der St. Nikolauskirche bescherten Bergschäden 1975 eine Baustelle. Die Kirche war um unglaubliche zwölf Meter abgesackt. „Der Fußboden war über die Länge von 20 Metern und drei Meter Tiefe aufgerissen“, sagt Henkies. „Nach Weihnachten musste die Kirche für zwei Jahre schließen.“
Ganz in der Nähe stand die Saalbau von Josef „Jupp“ Hoffrogge, wo sich die Bergmänner den Staub aus der Kehle spülten. Zu Jupps Anwesen gehörte auch ein Vergnügungssaal, wo man sich gerne zum Tanz traf. „Da gab es auch ein Kino“, erzählt Ute Linnenbrink. „Wir nannten sie nur Stopli, also das Stoppenberger Lichtspielhaus.“ Sie selbst hatte das Kino gerne besucht. Doch nun ist alles längst Geschichte.
Die Gelsenkirchener Straße
Überhaupt hat der Krieg dem Quartier böse mitgespielt. Große Teile der alten Bebauung längs der Straße sind verschwunden oder wurden stark verändert. Was der Attraktivität eher abträglich war. Das „schwarze Gold“ brachte zwar Arbeit und Brot, kam aber nur bedingt der Gelsenkirchener Straße selbst zugute. Später, zu Zeiten des Strukturwandels, wurden zwar rund um das Gelände Zollverein neue Wege geschaffen und im Dreieck mit Hallostraße/Im Natt entstand an der Straße „Flöz Zollverein“ im Jahr 2000 eine schicke Eigentumssiedlung, doch die Charakteristik der Gelsenkirchener Straße blieb nahezu „unverändert und trist“, erklärt Henkies. „Zumal es auch kaum Geschäfte gibt.“
Folgt man der Straßenbahn 107, die frühere Nummer 7 und 17, kommt man zur Jugendhalle. Der zweigeschossige, repräsentative Backsteinbau mit angeschlossenem, schlichten Saalbau aus dem Jahr 1931 diente nach dem Krieg Sportlern als Turnhalle. Auch eine Boxriege fand hier eine Heimat. „Heute ist das ein sehr beliebter Jugendtreff“, sagt Ute Linnenbrink.
Die Reise nähert sich dem Ende. Kurz vor der Gelsenkirchener Stadtgrenze fällt der Blick noch auf das Stadion Lindenbruch, wo die Sportfreunde Katernberg ebenso kickten wie die Fußballlegende Helmut Rahn. Die Gelsenkirchener Straße endet dort so unmittelbar wie sie in Stoppenberg begonnen hat. Nur ein Ortsschild verweist auf den Übergang in die Feldmarkstraße in Gelsenkirchen.
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Die Serie beschreibt historische, große, kleine, schöne und skurrile Straßen unserer Stadt. Viele Geschichten ranken sich um sie, die von Menschen aus den Stadtteilen erzählt werden.
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Eine Übersicht aller bislang erschienenen Folgen findet sich online unter der Adresse: www.waz.de/essener-strassen