Essen. Streit um Moschee-Parkplätze als Symptom: SPD-Politiker Karlheinz Endruschat fürchtet zu große Veränderungen durch weiterhin starke Zuwanderung.

Vordergründig geht es um zugeparkte Straßen und fehlenden Parkraum für die vielen Besucher neu entstandener Moscheen. Aber der politische Streit in Altenessen, der derzeit im Stadtteilparlament geführt wird, reicht weiter, und am Ende geht es um die Sorge, dass das Zusammenleben zwischen Einheimischen und Migranten in diesem großen Essener Stadtteil scheitern könnte. Das jedenfalls befürchtet seit längerem der Ratsherr und stellvertretende Vorsitzende der Essener SPD, Karlheinz Endruschat. In einem Beitrag im sozialen Netzwerk Facebook und im Gespräch mit dieser Zeitung hat er jetzt seine Sorgen erneut betont: „Altenessen droht zu kippen.“

Karlheinz Endruschat, stellvertretender Vorsitzender der Essener SPD, lebt selbst in Altenessen und beobachtet die Veränderungen mit Beklemmung.
Karlheinz Endruschat, stellvertretender Vorsitzender der Essener SPD, lebt selbst in Altenessen und beobachtet die Veränderungen mit Beklemmung.

Die zunehmende Veränderung der vertrauten Umgebung, das Gefühl, sehr bald in der Minderheit zu sein, die Angst vor fremd anmutenden Riten und Verhaltensweisen, das sprachliche Unverständnis, auch einige Sicherheitsprobleme – all dies ergibt eine Mixtur, die offensichtlich wachsendes Unbehagen auslöst, das im Essener Süden so nicht bekannt ist.

Auslöser der erneuten Debatte ist die weitere Zunahme von Nichtdeutschen und Doppelstaatlern, deren Anteil an der Wohnbevölkerung laut neuester städtischer Statistik in Altenessen-Süd mittlerweile bei 41,3 Prozent liegt – im Vergleich zum Stadtkern (62,1 Prozent), Ostviertel (51,1%) oder Altendorf (47,2%) ist das sogar noch moderat, was den SPD-Vize jedoch nicht tröstet. „Die Muslimisierung der Stadtteile im Essener Norden ist niemals seriös hinsichtlich zukünftiger Konflikte hinterfragt worden“, sagt Endruschat.

Sozialdezernent Peter Renzel will mehr Sozialarbeiter in den Norden schicken

Den Hinweis von Sozialdezernent Peter Renzel, man werde mit einer auf den Norden konzentrierten Sozialarbeit Integration befördern und Abschottung bekämpfen, hält er für eine Illusion: „Die Schwelle, bis zu der man noch grundlegend etwas bewirken konnte, scheint mir überschritten.“

Endruschat ordnet es unter „beschwichtigende bis hyperaktive Reaktionen“ ein, wenn Renzel in der Facebook-Debatte betont, Essen werde dank zusätzlicher Geldmittel des Landes allein 2018 „drei bis fünf Millionen Euro“ mehr für Integrationsprojekte erhalten. Auf Bundesebene werde in den Sondierungsgesprächen „ab 2019 auch wieder ein Milliardenpaket für die Unterstützung der Integrationsaufgaben“ geschnürt, und auch da dürfe Essen nach Ansicht von Renzel auf frisches Geld hoffen.

„Geschickte Politik, um Ghettos zu verhindern, war nie gewollt - schon das Thema war tabuisiert“

Der Essener SPD-Vize, selbst bis zu seiner Pensionierung als Sozialarbeiter tätig, glaubt, dass der Sozialdezernent sich mit der Methode „Viel hilft viel“ etwas vormacht. Mit Sozialarbeit ließen sich zwar Symptome behandeln. Das Tempo der Zuwanderung habe inzwischen aber derart angezogen und fokussiere sich weiterhin so stark auf den Essener Norden, dass die Probleme mit den klassischen Mitteln kaum mehr zu lösen seien. „Eine geschickte Sozial- und Stadtplanung, um zukünftige Ghettos zu verhindern, war nie ernsthaft gewollt, weil schon das Thema tabuisiert war.“ Ein überlegter Plan sei auch jetzt nicht zu erkennen.

„Natürlich kann man sich für ein ,Weiter so’ entscheiden, die Debatte um die Moscheen in Altenessen-Nord lässt dies befürchten“, klagt Endruschat. Damit gebe man den Norden aber langfristig auf, anstatt das Miteinander der Kulturen gezielt zu organisieren. Fatal sei auch ein Übermaß an „Transfermittelempfängern, die nur auf etwas warten“, formuliert Endruschat.

Hoffnung ruht auf jungen Familien, die Eigentum erwerben

Hoffnung mache ihm, dass zumindest im Altenessener Norden rund um die vier konfliktträchtigen Moscheen junge Familien mit deutschem Hintergrund weiterhin hier noch erschwingliche Einfamilienhäuser kauften und so für eine gewisse Stabilisierung des sozialen Klimas sorgten. In geschlossenen Migranten-Milieus, wie man sie aus den Vorstädten in Frankreich und Belgien kenne, gebe es schlicht zu wenig Anreiz, sich zu integrieren. Dass solche Thesen nicht jedem in der SPD gefielen, sei ihm klar. Aber: „Ich mache mir einfach große Sorgen um meinen Stadtteil.“