Essen. . Die Polizei registriert für 2017 in Essen die wenigsten Wohnungseinbrüche seit 1993. Ermittler agieren über europäische Grenzen hinweg.

Im August 2015 gingen Kripo-Chefin Martina Thon und Bodo Buschhausen, Leiter des Einbruchkommissariats, in die Transparenz-Offensive. Draußen strahlte die Sonne, im Präsidium verkündeten sie mit einer Drei-Tage-Regenwetter-Miene das absehbar Unausweichliche: Essen steuerte auf einen nie dagewesenen Wert bei den Wohnungseinbrüchen zu. Kaum für möglich gehaltene 3029 Delikte kamen bis zum Jahresende zusammen.

Nach diesem Tiefschlag folgte der Höhenflug, und wenn sich die beiden inzwischen vor Begeisterung kaum noch einkriegen können, hat das beileibe nicht nur den Grund, das im laufenden Januar gerade einmal 30 dieser Delikte angezeigt wurden: Im gesamten vergangenen Jahr registrierte die Essener Polizei so wenige Wohnungseinbrüche wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Unterm Strich waren es stadtweit nur noch 1644, also 1385 weniger als 2015. Das ist der niedrigste Wert seit 1993 und im Vergleich zum Jahr davor mit 2218 dieser Straftaten ein besonders massiver Rückgang um fast 26 Prozent. Den haben Thon und Buschhausen allerdings genauso wenig erwartet, wie sie mit dem Katastrophenjahr 2015 rechnen konnten.

Staatsanwaltschaft Essen richtete Sonderdezernat ein

Dazwischen lagen Jahre intensiver Ermittlungs- und Netzwerk-Arbeit über internationale Grenzen hinweg. Die Essener Behörde legte ihr hinlänglich beschriebenes Fünf-Punkte-Programm auf, ging bei dem Kampf gegen die Einbrecherbanden in Sachen Repression und Prävention an ihre personellen Grenzen. Ungezählte Ermittlungskommissionen wurden eingerichtet, von denen aktuell fünf aktiv sind, ganze Hundertschaften in gefährdete Wohngebiete geschickt, und mit Unterstützung einer speziellen Analyse-Software des Landeskriminalamtes versuchten die Ermittler Einbruchs-Brennpunkte in den Stadtteilen frühzeitig zu erkennen, während die Staatsanwaltschaft ein Sonderdezernat für eine effektivere Strafverfolgung bildete.

Längst ist das Thema Einbruch auch auf der europäischen Ebene angekommen. Und wenn einer der in Essen gesuchten Intensivtäter heute im Ausland gefasst wird, können ihm durch an internationalen Tatorten gesicherte DNA-Spuren häufig ganze Serien von Einbrüchen nachgewiesen werden. So machen es gut dokumentierte kriminelle Biographien der Justiz leichter, die Ganoven, die in Essen genauso aktiv gewesen sein können wie in Frankreich, Italien oder Österreich, hinter Gitter zu bringen.

Das Strafgesetzt kennt mittlerweile keine minder schweren Fälle mehr

Dass das Strafgesetz inzwischen keine minder schweren Fällen beim Wohnungseinbruch mehr kennt und eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr statt von drei Monaten vorsieht, hat dabei eine zusätzliche abschreckende Wirkung, ist Bodo Buschhausen überzeugt. Allein im vergangenen Jahr habe die Essener Polizei 140 Haftsachen abschließen können und rund 80 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen landeten in Untersuchungshaft. Entlastung haben die Ermittler durch die Einstellung von 30 Tarifbeschäftigten zur Kriminalitätsbekämpfung erfahren. Während sich die Neuen der Datenauswertung widmen, können sich die Beamte auf ihre eigentliche Arbeit, den Einbrechern das Handwerk zu legen, konzentrieren.

Aber auch die Essener Bürger haben mit zum Erfolg des vergangenen Jahres beigetragen. Dass fast 45 Prozent aller Einbrüche im Versuchsstadium scheiterten ist für Martina Thon nicht nur ein Beweis für besser gesicherte Häuser und Wohnungen, sondern auch eine Größenordnung, die „kaum noch zu steigern ist“. Dennoch will die Polizei ihre vorbeugende Arbeit weiter und sichtbar ausbauen: Voraussichtlich im Frühjahr schickt die Behörde ein Präventionsmobil in Gestalt eines ehemaligen Gruppenfahrzeugs der Spezialeinheiten auf die Straße, um die Menschen in den Stadtteilen noch stärker für das Thema Einbruchschutz zu sensibilieren und bei Opfern intensive Nachsorge zu betreiben.

Trotz der historisch niedrigen Einbruchzahlen bleibt das Thema ganz oben auf der Agenda der Essener Polizei. Denn Kripo-Chefin Martina Thon gibt sich keinen Illusionen hin: „Wenn wir jetzt nachlassen, stehen wir in zwei Jahren wieder vor dem alten Problem.“