Essen. . Marion Helle-Laumann vom Mädchengymnasium Borbeck erhält den „Deutschen Lehrerpreis“. Dabei wollte sie gar nicht Lehrerin werden.
Franziska Müller (18) hat im letzten Sommer Abitur am Mädchengymnasium Borbeck gemacht. Jetzt studiert sie, ist dementsprechend nicht mehr angewiesen auf das Wohlwollen ihrer ehemaligen Lehrer. Und trotzdem formuliert sie jetzt, im Januar 2018, diesen Satz: „Frau Helle-Laumann ist eine perfekte Lehrerin – genau die richtige Mischung aus natürlicher Autorität und Menschlichkeit.“
Im letzten Frühjahr hörte Franziska Müller davon, dass der Philologenverband in Berlin jährlich bundesweit den „Deutschen Lehrerpreis“ vergibt und dabei Schüler-Vorschläge berücksichtigt. Also schrieb sie eine warme Empfehlung, und die fand in der Hauptstadt tatsächlich Gehör.
Wenige Wochen später, im Herbst 2017, fand die Lehrerin Marion Helle-Laumann (37), die seit knapp zehn Jahren Deutsch, Musik und Geographie am Borbecker Mädchengymnasium unterrichtet, ein Schreiben in ihrem Fach: Absender Philologenverband, Nachricht: Sie werden mit dem Lehrerpreis ausgezeichnet. „Damit“, sagt die Pädagogin, „hatte ich überhaupt nicht gerechnet, ich wusste ja von gar nichts.“
Was ist die richtige Mischung aus Menschlichkeit und Autorität?
Frage an die ehemalige Schülerin: Was heißt das – richtige Mischung aus Autorität und Menschlichkeit? Franziska Müller antwortet: „Es gibt manche Lehrer, die versuchen, sich bei Schülern beliebt zu machen. Darunter leidet dann ihre Autorität. Bei Frau Helle-Laumann war das nie so, sie war ohnehin beliebt – auch, weil sie total interessanten Unterricht gemacht und uns super aufs Abitur vorbereitet hat. Außerdem war sie immer ansprechbar – für schulische und für private Angelegenheiten.“
Marion Helle-Laumann kommt aus Lippstadt, studierte in Münster Literaturwissenschaft und Musik, und „eigentlich wollte ich gar keine Lehrerin werden.“ Ihre Examensarbeit schrieb sie über Familienromane nach 1945. Ihr Plan: Eine Doktorarbeit über neue deutsche Literatur, dann an der Uni bleiben. „Doch meine Eltern sagten: Mach’ wenigstens das Referendariat.“
Sie kam ans Burggymnasium in der Essener Innenstadt. „Ich war mir überhaupt nicht sicher. Ich dachte: Ich kann das bestimmt nicht. Ich war nie groß in der Jugendarbeit aktiv so wie viele andere. Doch nach dem ersten Tag schob ich alle alten Pläne zur Seite, weil ich wusste: Das ist es.“
Vom Zauber des Unterrichtens
Der Zauber des Unterrichtens – worin besteht er? Marion Helle-Laumann erzählt ein Beispiel: In einem Deutschkurs besprach sie mit ihren Schülerinnen Kafkas „Verwandlung“ – schwieriges Buch, surreale Geschichte, mehr als 100 Jahre alt. Und doch: „Es gibt eine Stelle, da fühlt sich der Protagonist von einer Katze beobachtet“, sagt Marion Helle-Laumann. „Da sagten meine Schülerinnen ganz plötzlich, dass sie damit total viel anfangen können.“ Stichwort: Von anderen gefilmt werden mit dem Handy, unbemerkt oder sogar gegen den eigenen Willen. Stichwort: Selbst-Unsicherheit. Stichwort: Cyber-Mobbing – eins der größten Themen für Jugendliche in diesen Zeiten. „Das finde ich immer wieder faszinierend“, sagt die Lehrerin, „wenn die Jugendlichen aktuelle Bezüge herstellen können zu solchen alten Vorlagen.“ Und überhaupt, die Arbeit mit jungen Menschen, so nah am Leben anderer dran zu sein. Und was ist nicht so prickelnd? „Was mich wirklich stört“, sagt Marion Helle-Laumann, „ist die Vereinheitlichung seit Einführung des Zentral-Abiturs. Dass man noch nicht mal die Literatur, die man in einem Kurs liest, mit den Schülern aussuchen kann. Dass alles vorgegeben ist.“ Der Preis ist übrigens nicht dotiert. Egal. Fürchtet sie Neid? „Nein“, sagt sie und lacht. „Ich hab’ so tolle Kollegen, da kann ich mir das überhaupt nicht vorstellen.“