Essen-Rüttenscheid. Der Essener Tauschkreis zieht ins Rüttenscheider Bürgerzentrum. Mitglieder bieten Dienstleistungen gegen virtuelle Währung an. So funktioniert’s.
Ihre erste „Kohle“ hat Julia Suer verdient, als sie vor drei oder vier Jahren bei einem Kinderfest geholfen hat. Pro Stunde zwölf „Kohlen“. Das war ihr Einstieg in den Essener Tauschkreis. In der Gemeinschaft bieten seit mehr als 20 Jahren Menschen Dienstleistungen und Talente an, werden dafür in der virtuellen Währung entlohnt und können damit dann andere Mitglieder engagieren. Fürs Putzen, Handwerken, Kochen, Übersetzen, Webseitengestalten und allerlei anderes. In der Villa Rü hat der Tauschkreis nun ein neues Zuhause gefunden.
Viele Jahre lang war das Projekt im Mütterzentrum in Rellinghausen beheimatet. Nachdem der Familientreff seine Räume im Kunsthaus abgab, musste sich der Tauschkreis neu aufstellen. In der Villa Rü fühlt man sich nun gut aufgehoben. „Für mich ist das hier ein Ort der Begegnung, an dem viele kreative und mutige Dinge passieren“, sagt Suer. Das Foodsharing, bei dem Lebensmittel kostenlos verteilt werden, das Repair Café, bei dem defekte Geräte nicht weggeworfen, sondern repariert werden – „das sind Herangehensweisen an das Leben, die Essen als Gegenpol zum kommerzialisierten schnellen Leben braucht“, erzählt Suer.
Gute Ergänzung zum Angebot des Bürgerzentrums
Dass der Tauschkreis eine gute Ergänzung zum bisherigen Angebot des Bürgerzentrums ist, davon ist auch Werner Settels, der Leiter der Villa Rü, überzeugt. „Wir stellen seit Jahren fest, dass viele Leute bewusster leben wollen. Nicht dieses ,immer mehr, immer neuer, immer teurer’. Wenn wir das als Bürgerzentrum unterstützen können, machen wir das gerne“, sagt Settels. Die Villa Rü wird auch einsteigen in das Tauschkreis-Modell. Statt einer Raummiete gibt’s „Kohlen“, mit denen man sich zum Beispiel Helfer fürs Sommerfest sichern kann.
Verwaltet werden die Kontostände der Mitglieder von Marlis Kettler. „Ich bin die Kohlenbank“, sagt sie. Wer ein Angebot in Anspruch nimmt, füllt ein kleines gelbes Formular aus, über das der Dienstleister seine Arbeit abrechnen kann. Kettler verbucht den Betrag auf beiden Konten. Rund 170 Mitglieder habe der Tauschkreis in Essen, erzählt die Buchhalterin. Besonders nachgefragt sei handwerkliche Unterstützung, erzählt sie.
Die virtuelle Währung soll in Umlauf bleiben
Zwar möchte man sich beim Tauschkreis auf Dienstleistungen und Hilfen konzentrieren, es ist aber auch erlaubt, Dinge gegen „Kohle“ abzugeben. „Zum Beispiel Socken, Selbstgemachtes wie Marmelade oder bei unseren Treffen sonntags Kuchen und Frikadellen. Ich male gerne und biete zu Weihnachten auch mal größere Bilder an, aber die nimmt kaum jemand“, sagt Kettler und lacht.
Wer beim Tauschkreis mitmacht, soll nicht reich werden, auch nicht an „Kohlen“. Die virtuelle Währung soll in Umlauf bleiben, und man könne ruhig auch mal ins Minus rutschen. „Man sollte die Kohlen nicht horten“, erklärt Suer. „Denn wir leben ja davon, dass immer weiter getauscht wird.“
>> Jede Arbeit hat beim Tauschkreis den selben Wert
Der Essener Tauschkreis trifft sich immer am zweiten Sonntag eines Monats von 14 bis 17 Uhr im Bürgerzentrum Villa Rü, Girardetstraße 21. Erster Termin ist der 14. Januar. Bei den Treffen erfahren Interessierte, wie der Ring funktioniert und wie man Mitglied werden kann. Kontakt zum Tauschkreis über www.essener-tauschkreis.de.
Jede Arbeit wird nach Zeit abgerechnet, pro Stunde gibt es zwölf „Kohlen“, die kleinste Abrechnungseinheit sind also fünf Minuten. Jeder Leistung hat beim Tauschkreis denselben Wert.