Essen. . In der Reihe „Tat Ort Aalto“ geht das „Sopran-Ketchup-Massaker“ über die Bühne. Publikum sitzt inmitten der Kulisse. Experiment mit Augenzwinkern

Wenn eine Reihe schon „Tat Ort Aalto“ heißt, dann muss man sich irgendwann auch auf Handgreiflichkeiten einstellen. Weder Mord noch Totschlag wird das Publikum am Sonntag, 14. Januar, allerdings auf der Aalto-Bühne erschüttern. Was sich da ab 21 Uhr im Bühnenbild der „Verkauften Braut“ ereignet, das nennt Regisseur Sascha Krohn augenzwinkernd das „Sopran-Ketchup-Massaker“.

Wie der Titel schon andeutet, sind an diesem Abend Tomaten im Spiel. Und ein französischer Schriftsteller namens Georges Perec, der eines Tages zu einer sehr kühnen Gleichung kam: „Je größer die Tomate, desto lauter der Schrei.“ Der namhafte französische Nachkriegsautor hat im Laufe seiner Karriere durch ungewöhnliche Dinge auf sich aufmerksam gemacht – der Roman „Die dunkle Kammer“ handelt von 124 eigenen Träumen, ein anderer kommt konsequent ohne den Buchstaben e aus. Auch an die Vorlage zum „Sopran-Ketchup-Massaker“ ist Perec mit großer, vermeintlich wissenschaftlicher Akribie und seitenlangen Fußnoten herangegangen. Die Forschung freilich ist Fake, die Fragen, die der Franzose stellt, haben aber durchaus zeitlosen Wert. Auf der Bühne muss sie nun die Aalto-Sängerin Karin Strobos ausbaden, die am Sonntag zum Opfer dieses musikalisch ausgeklügelten Tomaten-Anschlags wird.

Ort für ungewöhnliche Formate

Dafür schließlich ist die Tat Ort-Reihe da: Sie soll ungewöhnliche, auch performative Formate ermöglichen. Und mehr Nähe zum Publikum aufbauen, das inmitten des Bühnenbilds sitzt. Dort sollen am Sonntag nicht nur die (Kunst-)Tomaten fliegen, sondern auch Arien aus Rossinis Opern „Der Barbier von Sevilla“ und „La Cenerentola“, aus Mozarts „Hochzeit des Figaro“ und der Strauß- Operette „Die Fledermaus“ erklingen. Bravour-Vorlagen für eine experimentierfreudige Sängerin wie Karin Strobos, die eigentlich ein Mezzosopran ist, an diesem Abend aber mal richtig hoch hinaus darf. Auch das ist schließlich Teil des unterhaltsamen Theaterversuchs – die Angst vor dem Hohen C, das Höher-Schneller-Weiter des Klassikbetriebes. Der Kult um die Primadonna assoluta und eben auch die Frage, wie objektiv oder subjektiv das Publikum diese Leistung an jedem Abend bewertet.

Die Tat Ort-Reihe im Aalto

Das Sopran-Ketchup-Massaker startet am Sonntag, 14. Januar, 21 Uhr, in den Kulissen des Aalto-Theaters. Die Tickets kosten 16 Euro und sind unter 8122-200 erhältlich.

„Heute Abend: Lola Blau“ heißt es am 18. März. Das Musical für eine Schauspielerin von Georg Kreisler wird von Aalto-Sängerin Marie-Helen Joël und Oliver Malitius gestaltet.

Wo sonst wird heute eben noch so leidenschaftlich und lautstark gebuht wie in deutschen Opernhäusern. Es Radieschenbündel regnen zu lassen oder auch Kastanien, wie Aalto-Dramaturg Christian Schröder die Gepflogenheiten früherer Tage beschreibt, gilt heute zwar als gänzlich unschick. Die fliegenden Tomaten allerdings sind diesmal Teil der Inszenierung, die die Schauspielerin Cornelia Constanze Orlow als Wissenschaftlerin und Christopher Bruckmann als musikalischer Leiter ergänzen. Und wer sich am Ende um die Ordnung oder die zarte Sopran-Seele sorgt – nicht alles, was fliegt, ist an diesem Abend auch echt.