Essen. . Thorsten Seifert ist Leiter des Denkmalpfads. Er wuchs im Schatten des Doppelbocks auf und rät: Zollverein muss sich seiner Wurzeln besinnen.
In seiner Jugend war das Doppelbock-Fördergerüst vor allem ein Schatten, der ins Zimmer fiel, wenn die Sonne morgens schon hoch am Himmel stand. Thorsten Seifert war früh nah dran und trotzdem auf Distanz zum Welterbe Zeche Zollverein.
An der Kapitelwiese ist er groß geworden, aber der Weg zum Leiter des Denkmalpfads Zollverein war für Seifert, der Bergbau und Geologie am Institut für Bergbau in Clausthal studiert hat, nicht gleich der naheliegende. Bis er in einer Silvesternacht Anfang dieses Jahrtausends auf dem Dach der Kohlenwäsche stand und wusste: „Da kann man was draus machen.“ Heute kümmert sich der 48-Jährige darum, dass die Geschichte der einst leistungsstärksten Zeche der Welt in vielen verschiedenen Facetten und acht Sprachen vermittelt wird.
Vater organisierte als einer der erstren Führungen auf Zollverein
Sein Vater Joachim war einer der ersten, der in den 1990ern mit alten Zollvereinern wie Hermann Neuhaus und Günther Stoppa Führungen auf dem stillgelegten Gelände organisierte. Damals freute man sich auf über 5000 Besucher pro Jahr, heute zählt der Denkmalpfad jährlich 155 000 Gäste. Thorsten Seifert ist der Mann, der das Programm immer wieder ergänzt, erneuert und um neue Formate bereichert.
Seifert will keine staubige Nostalgie, keine verklärte-Romantik, keine Heroisierung. Aber er weiß, dass das, was man heute „Oral History“ nennt, eine Stärke des Standortes ist. Authentizität auf Schritt und Tritt und gerne auch in Wort und Originalton. Unter den rund 100 aktiven Gästeführern sind immer noch 27 Ehemalige. Sie berichten über „Kohle und Kumpel“, begleiten „durch Koksofen und Meistergang“. Wenn sie in die Welt der Siebtrommeln und Setzmaschinen einführen, dann spürt der Besucher, „dass Zollverein mehr ist als eine gigantische Maschine. Ohne Menschen ging das nicht“, erklärt Seifert.
Etliche „Zollvereiner“ die nach der Schließung 1986 zunächst befürchtet hätten, dass ihre stillgelegte Zeche bald niemanden mehr interessieren würde, gingen heute ganz in ihrem zweiten Berufsleben als Gästeführer auf, erzählt Seifert, der nun ein bisschen bedauert, dass er zu Betriebszeiten nur zwei, drei Mal auf das Gelände gegangen ist.
Zollverein ist heute ein Ort der Entwicklung
Damals war die Zeche eine verschlossene Stadt, heute ist sie ein Ort der Entwicklung und des Wandels, der sich aber trotzdem seiner Wurzeln besinnen müsse, „sonst wird er beliebig. Man muss auch darauf achten, dass man den Ort nicht überstrapaziert“, sagt Seifert.
Dass Zollverein als eine ganz eigene Welt mit eigenen Regeln auch in Zukunft „genügend neue Themen“ bereit hält, um als Ort der lebendigen Erinnerung zu funktionieren, daran zweifelt Thorsten Seifert nicht. Inzwischen wohnt er zwar nicht mehr an der Kapitelwiese, sondern in Mülheim, doch der erste Blick bei Dienstantritt fällt immer auf den Doppelbock-Förderturm.