Essen. . Lange Jahre hat Barbara Lange Zimmer in Essen-Schonnebeck an Zollverein-Gäste vermietet. Zurückgeblieben ist ein Buch voller Liebeserklärungen.
In Barbara Langes Küche war schon die halbe Welt zuhause. Dabei hat die 76-jährige Essenerin eigentlich nie dran gedacht, ins Fremdenverkehrsgeschäft einzusteigen. Sie hat einfach nur Kaffee gekocht und die Betten frisch bezogen, wenn wieder mal Menschen von weither durch den Essener Norden streiften und nicht wussten, wo sie übernachten sollten.
Da war die Zeche Zollverein noch kein Welterbe und der touristische Nutzen dieses Areals pure Zukunftsmusik. Barbara Lange aber hatte zwei Zimmer unterm Dach und den Mut, sich auf das Abenteuer namens „Schlafen im Pott“ einzulassen. Bis heute zehrt sie von den vielen Begegnungen mit Menschen, die sich nicht nur für die Industriekultur begeisterten, sondern auch für die freundliche Frau mit der gemütlichen Wohnküche, wo es zum Frühstück selbstgemachte Maulbeer-Marmelade gab und die ein oder andere Story aus dem Kohlenpott.
Plötzlich war Zollverein ein Zukunftsort
Barbara Lange hat die Geschichte schließlich miterlebt. Großvater, Onkel und Cousins sind auf Zollverein eingefahren. Und als ihr Mann Anfang dieses Jahrtausends starb, wurde die Zeche für die früh verwitwete Mutter dreier Kinder und Hausbesitzerin mit Hypothek plötzlich wieder zum Zukunftsort. „Zollverein hat mich in Brot und Arbeit gebracht“, erzählt die Schonnebeckerin. Nicht nur dank der Pottlappen, die sie im Laufe der Jahre tausendfach gefertigt und bis nach Afrika und China geschickt hat – als blaugrauweiß-gemusterter Gruß aus der Heimat der Steinkohle.
Mindestens so aufregend war die Zeit als Zollvereins Zimmerwirtin. „Bist du bekloppt, fremde Leute ins Haus zu lassen?“, haben die Nachbarn damals gesagt. Aber Barbara Lange hat sich nicht schrecken lassen und die Welt an die Huestraße geholt. Da war die Familie aus Israel, die im Ruhrgebiet auf den Spuren der Vorfahren unterwegs war. „Die hatten das ganze Gemüse, was ich im Garten angepflanzt hatte, auch in Haifa stehen“, berichtet Lange mit Blick in den Zechenhaus-Garten. Und sollte sie jemals nach Israel reisen – die Einladung zum Gegenbesuch steht.
Aufbruchstimmung im Essener Norden miterlebt
Andere Übernachtungsgäste haben ihr begeisterte Widmungen ins Gästebuch geschrieben, liebevolle Zeichnungen erinnern an besondere Gäste: Das Ehepaar aus England, das immer Weihnachten kam, das junge Paar aus Japan, das spät abends vor der Tür stand. „Mein Gästebuch ist voller Liebeserklärungen“, lächelt Barbara Lange. Bis heute ist sie froh darüber, diese „Aufbruchzeit“ im Essener Norden miterlebt und geprägt zu haben. Man muss, findet Barbara Lange, einfach nur ein bisschen Mut haben.