Essen. . Den Kohlehändler Seidelmann gibt es in Essen bereits seit 120 Jahren. Das Traditionsunternehmen möchte trotz Zechen-Aus weitermachen.

Wer mit Wilhelm Seidelmann zwischen Brikett-Bergen und blinkenden Anthrazitkohlehügeln steht, der hat nicht unbedingt den Eindruck, dass hier etwas zu Ende geht. Das Telefon klingelt oft, während der 54-Jährige über die fast 120-jährige Firmengeschichte erzählt.

Die Winterzeit ist Hochzeit für Kohlenhändler, gearbeitet wird rund um die Uhr. Aber inzwischen melden sich bei Seidelmann auch immer mehr Fernsehsender und Zeitungsredaktionen, die 2018 noch einmal wissen wollen, wie es mit der Kohle weiter geht.

Krupp-Siedlungen waren früher feste Kohle-Abnehmer

„1000 neue Kunden haben wir im vergangenen Jahr bekommen“, erzählt Seidelmann. Die Nachfrage ist nicht unbedingt gestiegen, aber viele kleine Kohlenhändler haben inzwischen aufgeben müssen und bescheren den Seidelmanns neuen Zulauf. Der Familienunternehmer mit Stammsitz in Essen, der sein Außenlager an der Gelsenkirchener Zechenstraße hat, ist heute noch einer von zwei großen Brennstoffhändlern im Ruhrgebiet. 15 000 Haushalte zwischen Altenessen und Duisburg, Neukirchen-Vluyn und Herne haben die Seidelmanns mal mit Kohle beliefert.

Das Hauptgeschäft machen die Seidelmanns heute mit Anthrazitkohle.
Das Hauptgeschäft machen die Seidelmanns heute mit Anthrazitkohle. © STEFAN AREND

Allein die vielen Krupp-Siedlungen waren feste Abnehmer, „und früher gehörten auch mehr Kommunen zu unseren Großkunden“, erzählt der 54-jährige Wilhelm Seidelmann, der das Familienunternehmen in vierter Generation zusammen mit Bruder Thomas und Schwester Claudia führt. „Auf Kohle geboren“, das ist für die Seidelmanns nicht nur ein Slogan, sondern Ausweis ihrer Identität wie das Schalke 04-Emblem, das Wilhelm Seidelmann auf der Jacke trägt, während er ein paar Säcke mit Anthrazitkohle schultert.

Ware kommt auch aus Polen oder Argentinien

Heute beliefern die Seidelmanns vor allem noch die rund 3000 Privatkunden: ehemalige Bergleute, die nach wie vor ihr Kohle-Deputat beziehen, aber auch jüngere Leute, die ihre Öfen wieder mit Holz und Kohle heizen. Weil sie die heimelige Wärme schätzen oder weil es einfach billiger ist. Der unschlagbar günstige Preis sei ein wichtiges Argument für Bergleute, die ihre Stube gerne mal auf muckelige 24 Grad heizen würden, weiß Seidelmann. Wie es nach 2018 weitergeht, wenn die letzte deutsche Steinkohlezeche schließt, darüber machen sich derzeit viele seiner Kunden Gedanken.

Doch die Seidelmanns wollen weitermachen. „Wir werden uns verstärkt an internationalen Märkten orientieren, damit Sie auch in Zukunft Ihre bestehenden Heizanlagen wie gewohnt nutzen können“, werben die Kohlehändler auf ihre Homepage. Damit die Öfen nicht kalt werden, beschaffen sie ihre Ware inzwischen auch aus Polen, Argentinien, Venezuela oder Wales .

Seidelmann heizt zu Hause selber mit Kohl

Das Kohle-Geschäft ist internationaler geworden. Die Seidelmann-Flotte liefert heute bundesweit aus, fährt regelmäßig Häfen in Gent, Antwerpen und Amsterdam an. Im Sommer wird auch Getreide transportiert, längst hat man auch umgesattelt zur Fachspedition. Das Schwarze Gold aber, es soll die wichtigste Währung bleiben. „80 000 Tonnen machen wir schon noch im Jahr“, erzählt Wilhelm Seidelmann, der natürlich auch zu Hause mit Kohle heizt: „Wir müssen den Leuten ja was erzählen können.“