Essen-Heisingen. Vor einem Jahr öffnete sich am Koldenbuschweg in Essen die Erde. 17 Menschen mussten ihr Zuhause aus Sicherheitsgründen für Monate verlassen.
29. November 2016, genau vor einem Jahr. Als Gunnar Kohs am späten Vormittag auf der Arbeit einen Anruf seiner Tochter erhielt („Ich glaube, du musst mal kommen, Papa . . .“), wusste er gleich: Es musste etwas passiert sein. Heute vor einem Jahr, da tat sich am Koldenbuschwegdie Erde ein Stück weit auf, ein Pkw der Familie Kohs sackte ein Stück weit ab. Das an sich überschaubare Loch jedoch sorgte dafür, dass am Ende 17 Menschen ihre sechs Häuser binnen 30 Minuten räumen und für die nächsten gut drei Monate und auch über Weihnachten anderweitig unterkommen mussten.
Unkontrollierter Abbau war keine Seltenheit
Ein Tagesbruch, nachgebende Hohlräume in Gegenden, in denen einst vor Jahrzehnten und Jahrhunderten Kohle abgebaut wurde. Meist kontrolliert und dokumentiert, nicht selten und wie in Heisingen aber auch privat, heimlich und sogar illegal. Vorkommnisse, die selbst die Experten der Bezirksregierung Arnsberg oder der RAG Deutsche Steinkohle AG, die früher Ruhrkohle hieß, manchmal noch aus heiterem Himmel treffen. Und bei Gefahr im Verzug lassen auch Feuerwehr und Polizei nicht mit sich spaßen – und sogar komplette Häuserzüge räumen, wenn es denn sein muss. Wie am Koldenbuschweg. Vor einem Jahr.
Gunnar Kohs wirkt heute völlig entspannt, hatte, wie er sagt, auch seinerzeit nie wirklich Angst, sondern großes Verständnis. „Sicher ist sicher, da habe ich mit meiner Familie halt drei Monate und auch Weihnachten in einer Ferienwohnung in Kupferdreh verbracht. Andere mussten bis zu fünf Mal umziehen.“ Der Mann hat sich nie beschwert, sich vielmehr an seine Oma erinnert. „Die hatte früher im Krieg immer ihre Gewittertasche dabei, wie sie das nannte. Mit Papieren und einigen persönlichen Dingen. Für den Fall, dass sie bei Fliegeralarm wieder mal die Wohnung verlassen musste.“
Alle Schäden wurden reguliert
Natürlich sei es seltsam gewesen, das Haus binnen einer halben Stunden räumen zu müssen und nur das Nötigste mitnehmen zu können. „Es nutzte ja nichts. Später durften wir dann aber unter Aufsicht schon öfters ins Haus, um etwa neue Kleidung zu holen.“ Das Haus von Kohs war am Ende eines von sechs, die geräumt werden mussten. „Die Häuser der Nummern 13 bis 23 stehen alle auf einer Betonplatte, vielleicht deshalb.“
Direkt daneben, in Nummer 11, lebt Lutz Reißberg, und auch der hatte nie ein mulmiges Gefühl, obwohl er bleiben durfte. Oder musste? „Da ich wusste, dass sich Experten kümmern, fühlte ich mich sogar sicherer als vorher.“ Kohs sieht das anders: Bleiben zu müssen, wo einem vielleicht der Boden unter den Füßen weggerissen wird, „das stelle ich mir dann doch weitaus schlimmer vor“.
Wie auch immer: Bis auf die seiner Meinung nach verbesserungswürdige Informationspolitik hat Gunnar Kohs keinen Grund zu meckern. Alle Schäden wie etwa die Reparatur des Wagens wurden bislang völlig unkompliziert reguliert, und seit einigen Wochen kann man auch wieder vors Haus fahren, was gerade nach größeren Einkäufen enorme Vorteile hat.
Wenn nicht wieder irgendetwas passiert, werden sie Weihnachten diesmal wieder am Koldenbuschweg feiern, aber: „Kupferdreh war irgendwie auch nicht schlecht . . .“
>>NEUE BAUSTELLE AN DER BOGENSTRASSE
Bis auf einige kleinere Aufräumarbeiten wurde die Tagesbruch-Baustelle am Koldenbuschweg nun beendet. Laut RAG wurden insgesamt 16 973 Bohrmeter abgeteuft, also zurückgelegt, zudem die Hohlräume mit rund 7000 Tonnen eines Spezialmaterials (Mixxan-Wassergemisch) verfüllt/verpresst. Für Bergwerksexperten sind das absolute Durchschnittswerte. Komplett beendet sind die Bauarbeiten für die Anwohner am Koldenbuschweg damit aber noch immer nicht, denn die Stadt erneuert die Straßenoberfläche erst im Frühjahr 2018. Die nächste Baustelle steht bereits vor der Tür, laut RAG mindestens bis Juli 2018 wird das angrenzende Gebiet zwischen Bogenstraße und Stauseebogen anhand von Probebohrungen erkundet. Ausführende Firmen: das auf Altbergbau spezialisierte Gutachterbüro Raabe aus Lünen und die GbE Grundbau Essen GmbH.