Großrazzia im Schmuddel-Gewerbegebiet in Essen-Dellwig
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Essen. . Fast 300 Einsatzkräfte von Polizei, Stadt, Zoll und Finanzbehörde waren in Dellwig im Einsatz. Ein Betrieb wird dicht gemacht, 26 Festnahmen.
Das verschachtelte, unübersichtliche Gewerbegebiet Ripshorster Straße in Dellwig ist seit zwei Jahrzehnten ein Ärgernis
Am Dienstag war es das Ziel einer Großrazzia mit 300 Einsatzkräften von Polizei, Stadt, Zoll und Finanzbehörde
Die Bilanz: Ein Betrieb wird dicht gemacht, 26 vorläufige Festnahmen, 130 Personen überprüft
Um kurz vor elf schlagen sie in Dellwig mit vereinten Kräften los: zwei Einsatzhundertschaften der Polizei, 50 Mitarbeiter von Stadtverwaltung und Feuerwehr sowie jeweils ein Dutzend Kräfte von Zoll und Finanzbehörde. Ziel der Großrazzia ist das Gewerbegebiet an der Ripshorster Straße. Ein unübersichtliches, verschachteltes Gelände zwischen zwei Bahnstrecken, so groß wie acht Fußballplätze, das schon seit mehr als zwanzig Jahren ein ständiges Ärgernis ist.
Generalstabsmäßig riegelt die Polizei die Zufahrten über die Ripshorster Straße ab, Bundespolizisten bilden derweil einen dichten Kordon längst der Bahngleise. Und Polizeihubschrauber „Hummel“ kreist zur besseren Aufklärung hoch über dem S-Bahnhof Dellwig, um Flüchtende sofort ausmachen zu können. Zwei Männer versuchen trotzdem sich abzusetzen. Sie überwinden eine hohe Mauer, riskieren den Sprung in die Tiefe – und verletzen sich schwer. Einer zieht sich schlimme Schnittverletzungen an der Hand zu, ein anderer bricht sich ein Bein und wird ins Philippusstift gebracht.
Razzia an der Ripshorster Straße
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Bezirkspolitiker beklagen Missstände seit 20 Jahren
Im Gewerbegebiet selbst richten sich die Einsatzkräfte auf einen langen Tag ein. Die Feuerwehr stellt deshalb einen Logistik-Container zur Verfügung, und die Johanniter bauen eigens einen Stand mit heißem Kaffee und Schokoriegeln auf.
Schon seit 20 Jahren beklagen Bezirkspolitiker wie Ulrich Schulte-Wieschen die skandalösen Zustände in dem Schmuddel-Gewerbegebiet, in dem Autos und Motoren zerlegt, Waschmaschinen und Kühlschränke gestapelt werden. Man muss kein Inspektor sein, um rasch zu kapieren, dass hier Altöl aus ausgeschlachteten Schrottwagen und andere Gift-Chemikalien im Erdreich versickern, um früher oder später ins Grundwasser zu gelangen. „Verbessert hat sich in den vielen Jahren nichts“, klagt SPD-Mann Schulte-Wieschen.
Ein schmutziges Geschäft, mit dem Millionen verdient werden
An diesem Dienstag schauen die Kontrolleure von Umweltbehörde, Wasserwirtschaft, Jobcenter und Einwohneramt in sieben ausgewählten Betrieben sehr genau hin. Und protokollieren akkurat Umweltdelikt für Umweltdelikt. Auf einem Grundstück etwa lagern 800 Kühlschränke illegal unter freiem Himmel, nicht weit davon entfernt entdecken sie nahezu 500 Kompressoren – ebenfalls illegal. Ein schmutziges Geschäft, mit dem skrupellose Hintermänner im Im- und Export Millionen verdienen. Die Männer, die hier schuften, sind größtenteils Schwarzafrikaner, Armutszuwanderer ohne Aufenthaltserlaubnis. „Die meisten sind Nigerianer, meine Landsleute“, sagt Jolly (39), der eigenen Angaben zufolge Autos verschrottet und recycelt. „Ausgeschlachtete Schrottwagen kaufe ich für 25 Euro auf und verkaufe sie für 30 weiter“, sagt er. Den Polizeieinsatz schaut er sich von der Donnerstraße aus an. „Die Polizei lässt mich nicht ins Gewerbegebiet.“
Auf der Ecke Tunnelstraße haben Bereitschaftspolizisten für die „Personalienfeststellung im Einsatzraum“ acht Mannschaftswagen eng zusammengestellt. Pausenlos schleusen sie Leute durch diesen „Trichter“ – eine Art Massenabfertigung. 130 Personen werden überprüft. Wer ein grünes Bändchen ums Handgelenk gelegt bekommt, hat Glück: keine Beanstandung. 26 Personen werden vorläufig festgenommen, weil sie sich offenbar illegal in Deutschland aufhalten. Ein Haftbefehl wird vollstreckt und ein Betrieb dichtgemacht – wegen fehlender Gewerbeerlaubnis und zahlreicher Umweltdelikte.
Schrotthändler Jolly verzieht derweil missmutig das Gesicht: „Mein Tag ist kaputt.“
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