Essen. . Der Nockwinkel gilt als das gesellschaftliche Zentrum Überruhrs. In den siebziger Jahren gab es dort sogar ein Straßenfest, die Kirschenkirmes.
- Der Nockwinkel hieß bis zu der Eingemeindung des Stadtteils Bahnhofstraße
- Der untere Straßenteil war landwirtschaftlich geprägt, nun dominiert Wohnbebauung
- Der obere Abschnitt gilt als Ortskern von Hinsel. Dort wird flaniert und eingekauft
„Den Weg in Richtung Bahnhof können wir uns eigentlich sparen“, sagt Norbert Mering mit einem Schmunzeln. „Da ist ja nicht so viel los.“ Der Vorsitzende der Überruhrer Bürgerschaft muss es wissen, denn er kennt den Nockwinkel wie seine eigene Westentasche. „Die Straße war schon immer unsere Einkaufsmeile. Das gesellschaftliche Zentrum des Stadtteils, wenn man so will. Allerdings nur im oberen Abschnitt. Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert.“
Der Nockwinkel zieht sich quer durch das Viertel und beginnt am Bahnhof Überruhr. Ein Umstand, der der Straße den Namen Bahnhofstraße einbrachte. Erst am 14. November 1935, sechs Jahre nach der Eingemeinung, war der Nockwinkel geboren, dem der „Nockenkotten“ Pate stand. Das Gut der Familie Lennermann befand sich in der Nähe der heutigen Bahnstation.
Springobhof wurde bis ins Jahr 1962 bewirtschaftet
Überhaupt war das gesamte Gebiet rund um den unteren Nockwinkels landwirtschaftlich geprägt. So fand sich dort, etwa in Höhe des heutigen Nockwinkel 67, auch der ehemalige Springobhof, der noch bis 1962 bewirtschaftet wurde. Zwei Jahre später wurde er endgültig niedergelegt, um später der Wohnbebauung im neuen Siedlungsraum Hinseler Feld Platz zu machen. In den Sechziger Jahren errichtete die Gewobau rechts des Nockwinkels eine riesige Siedlung zwischen Bruktererhang und Lehmannsbrink, die 6000 Menschen ein Dach über dem Kopf sicherte und die noch bis heute Bestand hat.
Deutlich weniger beschaulich ging es stets im oberen Teil des Nockwinkels zu. „Die Kreuzung mit der Schulte-Hinsel-Straße zur Linken und dem Hinseler Hof zur Rechten beschreibt so etwas wie eine geographische Grenze zwischen dem ländlich und dem städtisch geprägten Teil des Nockwinkels“, erklärt Mering. Etwa dort beginnt die Einkaufsmeile des Stadtteils. Dank des komplett erhaltenen Bestandes an Häusern, gilt dieser Teil als eigentlicher Ortskern von Überruhr-Hinsel. „Dort trifft man sich zum Austausch und zum Einkauf“, sagt Mering. Im Laufe der vielen Jahre wechselten die Geschäfte. Der Discounter Albrecht allerdings eröffnete am Nockwinkel eine seiner ersten Filialen in Essen und ist bis heute – nun als Aldi – neben der Gaststätte Silva zu finden.
Gasthaus Silva brannte zweimal ab – existiert aber noch immer
Bei Silva wurde über ein Jahrhundert lang oft und gerne gefeiert. „Besonders die kirchlichen Vereine nutzten den großen Festsaal. Das Haus stand allerdings nicht unbedingt unter einem guten Stern. Im Jahr 1883 – damals führte noch die Familie Schempershove die Wirtschaft – ging das Fachwerkhaus in Flammen auf, wurde aber wieder aufgebaut. Ein Schicksal, das sich im Jahr 1989 wiederholte. Diese Zeitung berichtete am 22. Februar des Unglücksjahres vom Brand, der mehrere 100 000 D-Mark Schaden verursachte, aber zum Glück kein Menschenleben forderte.
„Das Haus brannte bis auf die Grundfesten nieder, wurde aber wegen des geltenden Bestandsschutzes komplett erneuert“, erinnert sich Mering. „Bedauerlicherweise ohne den schönen Festsaal.“ Ein Schlag ins Kontor für alle Vergnügungssuchenden, schließlich hatte die Gastwirtschaft Torwesten, nur ein paar Häuser unterhalb von Silva, zu diesem Zeitpunkt schon längst dicht gemacht. „Auch dort gab es einen Saal, wo viel getanzt wurde und wo es die Karnevalisten so richtig krachen ließen.“ Später flimmerten im Saal Kinofilme über die Leinwand, doch das „Theater Regina“ hielt sich nur acht Jahre lang, schloss 1963. Heute wird das Haus von der „Ü-Bar“ und zum Wohnen genutzt. Vis a vis befindet sich ein Elektro-Installateur.
Die Kirschenkirmes gibt es schon lange nicht mehr
Bis in die Siebziger Jahre besaß Überruhr sogar ein eigenes Straßenfest, die „Kirschenkirmes“, die immer am ersten Wochenende des Juli abgehalten wurde. Die Kirmes ist längst passé, doch eine Tradition hat sich der Stadtteil und damit der Nockwinkel bewahrt. „Immer am Montag nach der Kirmes folgte das „Dicke-Bohnen-Essen“ bei Silva im Saal“, erinnert sich Mering. Knapp 270 Teller gingen über den Tresen. Dort getafelt wird heute immer noch, wenn auch im kleineren Rahmen im Gasthaus.
Der Nockwinkel in Überruhr
Schon deshalb ist es so wichtig, dass zumindest der Bürgertreff Überruhr am Nockwinkel 64 erhalten bleibt, der gerade saniert wird. „Das ist der einzige öffentliche große Versammlungsraum, der in Überruhr verblieben ist“, sagt Mering.
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