Essen. Nur das Begrenzen und Steuern von Migration verhindere eine dauerhafte Überforderung der Städte, meint Essens OB Thomas Kufen.

  • Essens Oberbürgermeister verlangt von der neuen Bundesregierung ein deutlicheres Umsteuern bei der Migrationspolitik
  • Kritik übte Thomas Kufen an der Kanzlerin: Man könne sich nicht „hinstellen und sagen, man würde alles noch mal genau so machen“
  • Der OB beklagte auch die viel zu hohe finanzielle Belastung der Stadt für Integrationsleistungen

Oberbürgermeister Thomas Kufen hat sich kritisch zur Asylpolitik der CDU-geführten Bundesregierung geäußert und von einer neu zu bildenden Koalition Änderungen verlangt. „Es wird nicht ohne eine Obergrenze bei der Zuwanderung gehen, die Städte müssen vor einer dauerhaften Überforderung geschützt werden“, sagte Kufen im Gespräch mit dieser Zeitung.

Aus Sicht des OB war es fatal und schädlich, dass die Bundeskanzlerin und ihr Wahlkampf-Kontrahent Schulz „sich hinstellten und im Wesentlichen sagten, wir würden alles noch mal genau so machen“. Solches Reden sei zum „Wachstumsprogramm für die AfD“ geworden. „Ignorieren bestimmter Themen, pauschale Ausgrenzung oder juristische Winkelzüge haben Wählerinnen und Wähler nicht davon abgehalten, sich in der Wahlkabine für eine bestimmte Partei zu entscheiden.“ Die AfD müsse politisch bekämpft werden, nicht mit Mitteln, die ihnen nur noch mehr Zulauf brächten.

„Die Menschen nehmen wahr, wie sich ihre Stadt verändert“

Das Ergebnis der Bundestagswahl, vor allem die Stärke der AfD, stelle eine Zäsur dar. „Auf die Ursachen haben die Kommunen immer wieder hingewiesen“, erklärte der OB im Netzwerk Facebook, wo sich auf seinen Beitrag hin eine lebhafte Debatte entwickelte. „Die Menschen nehmen wahr, wie sich ihre Stadt verändert, die Parteien an den politischen Rändern sind dabei das Ventil.“ Es sei auffallend, dass gerade im Essener Norden die AfD gewählt wurde, offenkundig vor allem zu Lasten der SPD.

Kufen, selbst Christdemokrat, zeigte sich aber auch erstaunt, dass die Bundes-CDU ihr schlechtes Wahlergebnis relativ gleichmütig hinnehme und nicht als Auftrag verstehe, sich für Änderungen stark zu machen. Den politischen Akteuren, auch in der eigenen Partei, wirft Kufen vor, die Realitäten nicht ausreichend im Blick zu haben. „Auch in Essen gefährdet das Zusammenwirken von Transferbezug, gestiegenen Flüchtlingszahlen, dem diffusen Gefühl mangelnder Sicherheit, Bildungsbenachteiligung, Desintegration, eingeschränkter Teilhabe und gesundheitlicher Beeinträchtigung den sozialen Frieden.“

Kufen fürchtet, dass zuviele Flüchtlinge in der Dauerarbeitslosigkeit landen

Dass eine finanzschwache Stadt wie Essen aus eigenen Mitteln allein in diesem Jahr rund 60 Millionen Euro für Integrationsmaßnahmen aufbringen müsse, sei so nicht in Ordnung. „Wir erbringen hier eine Integrationsleistung für ganz Deutschland, und ich merke noch keine ausreichende Rückendeckung von Bund und Land.“ Ähnlich hatte sich jüngst auch Sozialdezernent Peter Renzel geäußert.

Kufen ist skeptisch, was die berufliche Qualifikation der meisten Zuwanderer anbelangt. „Wenn wir feststellen, dass 90 Prozent der Flüchtlinge Qualifikationen aufweisen, für die wir keine Verwendung haben, dann ist bei zu vielen der Weg in eine dauerhafte Arbeitslosigkeit programmiert.“ Schon dies verlange nach „Begrenzung und Steuerung“ der Migration, etwa durch ein bindendes Einwanderungsgesetz, betonte Kufen.