Essen. . Für die Musiktheater-Produktion „Auftrag Abwicklung Sonnenaufgang“ kooperieren die Ensembles der Studio-Bühne Essen und des Aalto-Theater.

Welten prallen aufeinander: Supermarkt-Chef trifft jamaikanische Sklaven, Sprechtheater trifft Musiktheater, Freie Szene trifft städtische Bühne, Georg Kreisler trifft Gustav Mahler. Es ist ein ungewöhnliches Projekt, das Dinge vereint, die bisher kaum zusammengehört haben, und das unter dem Titel „Auftrag Abwicklung Sonnenaufgang“ am 7. Oktober seine Uraufführung in der Folkwang Musikschule feiert.

Auf der Suche nach Utopien

Am Anfang war die Idee: „Städtische und freie Kultureinrichtungen sollen sich gemeinsam an einem Thema abarbeiten“, erläutert Stefan Schulze vom Kulturbüro Essen. Das Büro gab das Jahresthema „Schöne Aussichten – Paradiese und Utopien“ vor, und das Aalto-Theater und die Studio-Bühne in Kray begannen, an einem Strang zu ziehen. „Wir wollten uns vor allem an den Utopien abarbeiten“, so Kerstin Plewa-Brodam. Die künstlerische Leiterin der Krayer Amateur-Bühne hat die Koordination des Mammut-Projekts übernommen. Und mit Sascha Krohn und Marijke Malitius vom Aalto Theater haben sie für diesen Ansatz ein engagiertes Regie-Duo gefunden, das gewillt ist, eigene Visionen zu diesem Thema umzusetzen.

Das tun sie – wie auch die übrigen beteiligten Profis und Amateure – ehrenamtlich: Die 2500 Euro, mit denen das Kulturbüro die Inszenierung unterstützt, fließen komplett in die praktische Realisierung: Requisiten, Kostüme etc.

Supermarkt-Parkplatz wird zum Schauplatz

„Ausgangspunkt war für uns die Frage, ob es heute überhaupt noch die Möglichkeit gibt, Utopien in der Realität umzusetzen oder ob es nur noch negative Utopien, also Dystopien gibt“, erläutert Krohn. Und wie das so ist, wenn man über die Gegenwart Aussagen treffen will, blickt man in die Geschichte. „Wir haben als Grundlage Heiner Müllers Drama ,Der Auftrag’ genommen“: Darin hat der in Westdeutschland populäre Dramatiker aus der DDR den Versuch von Abgesandten der Französischen Revolution beschrieben, auf Jamaika einen Sklavenaufstand zu initiieren und auf diese Weise die Revolution in die Karibik zu exportieren. „Der Auftrag scheitert“, so Krohn, „die Klassenunterschiede konnten nicht überwunden werden“.

Eine zweite Text-Basis bilden Passagen aus dem Sachbuch „Die Abwicklung: Eine innere Geschichte des neuen Amerika“, in dem der US-Journalist George Pecker unter anderem die Geschichte von Sam Walton erzählt, dem Gründer des Supermarkt-Imperiums Wal-Mart. „Die Bedingungen, unter denen Mitarbeiter dort beschäftigt sind, erinnern an moderne Sklaverei“, vergleicht Marijke Malitius. So wird auch der Supermarkt-Parkplatz in der Inszenierung des Duos zum Dreh- und Angelpunkt des Bühnengeschehens, das durch diverse Musikstücke ergänzt wird – von spätromantischen Liedern wie „Nun will die Sonn’ zu hell aufgehen“ von Gustav Mahler, aber auch satirischen Chansons von Georg Kreisler.

Jeder muss singen

Trotz Unterstützung vom Aalto-Opernchor müssen auch die Laien-Schauspieler von der Studio-Bühne singen. „Sänger spielen, Spieler singen, alle müssen leiden“, umschreibt Krohn die Anforderung, dass jeder im Projekt Grenzen überschreiten soll. Das gilt auch für den musikalischen Leiter: Nicht nur, weil er alle Instrumente spielt und auch selbst als Darsteller fungiert, sondern auch, weil vieles erst im Probeprozess entsteht: „In der Oper sind die Möglichkeiten, Einfluss auf die Musik zu nehmen, begrenzt, denn die Partitur schreibt vieles fest“, erläutert Christopher Bruckman, „hier habe ich wesentlich mehr Freiheiten, kann fast kompositorisch arbeiten.“

Stefan Schulze findet die strukturelle und inhaltliche Verbindung von städtischer Kultur und Freier Szene vorbildlich: „Wir hoffen, dass dies ein Anstoß sein kann für weitere Projekte.“

>>> VORSTELLUNGEN UND TICKETS

Vorstellungen am 7. Oktober, 20 Uhr (Premiere); 8. Oktober, 18 Uhr und 15. Oktober, 19 Uhr, in der Aula der Folkwang Musikschule, Thea-Leymann-Str. 23.

Karten für alle Veranstaltungen gibt es exklusiv bei der Studio-Bühne: 55 46 01, info@studio-buehne-essen-de, www.studio-buehne-essen.de