Essen. . In einem Haus in Essen-Holsterhausen kämpfen die Mieter gegen eine Schabenplage. Die Wohnungsgesellschaft lasse sie im Stich. Die bestreitet das.
- Ein Wohnhaus an der Holsterhauser Straße ist seit geraumer Zeit massiv von Schaben befallen, eine Etage gilt als „Horror-Flur“
- Wiederholt waren Schädlingsbekämpfer vor Ort, doch ein Mieter öffnet ihnen nicht die Tür. Die Nachbarn sind verzweifelt
- Die Wohnungsgesellschaft Vonovia erklärt, sie bedaure den Fall und habe inzwischen eine Räumungsklage eingereicht
80 Mietparteien gibt es im Wohnblock an der Holsterhauser Straße – und seit einiger Zeit zahllose unerwünschte Mitbewohner. „Wir haben einen massiven Kakerlaken-Befall und häufig sind die eigentlich lichtscheuen Tiere am helllichten Tag im Hausflur anzutreffen“, sagt eine junge Mieterin . Von der Vonovia fühlen sie und die Nachbarn sich im Stich gelassen. Die Wohnungsgesellschaft bestreitet das Problem nicht, es sei sehr schwierig zu lösen.
Das hat auch die 23-Jährige bemerkt, die von einem ersten Befall im vorigen Jahr berichtet. Schon damals seien Schädlingsbekämpfer angerückt, leider ohne dauerhaften Erfolg; denn niemand sei gezwungen, die Experten in die Wohnung zu lassen. „So gedeihen die Küchenschaben immer weiter“, sagt die junge Frau. Vor allem in der 6. Etage.
Horror-Flur nennen sie die sechste Etage
Vom Horror-Flur spricht ein anderer Mieter; wie das gemeint ist, erschließt sich mühelos: Rechts und links vor jeder Wohnungstür liegen kleine Pappboxen. Wer diese Kakerlaken-Fallen öffnet, wird zuverlässig fündig; auch auf dem Boden liegen tote Tierchen. Nebenbei riecht es in dieser Etage streng: Hier lebt ein Mieter, der offenbar die Kontrolle über seinen Haushalt und sein Leben verloren hat. Der Mann stehe unter Betreuung und tue ihr leid, sagt die junge Frau. Sie habe mit ihm gesprochen, ihn gebeten, den Kammerjäger in die Wohnung zu lassen, denn hier ist augenscheinlich die Heimatbasis der Kakerlaken. „Er sagt nur: Ich muss keinem öffnen.“
Ein Ärgernis für die 23-Jährige, die eine Etage höher wohnt und nun auch Schaben hat. Tiere, die Keime und Krankheiten übertragen. Ihre Wohnung ließ sie ausräuchern, die Sorge bleibt: „Die Viecher krabbelten aus meiner Kaffeemaschine. Ich lade nicht mehr gern zu mir ein.“ Zum Gespräch bittet sie uns zum Nachbarn, der von Schaben verschont und doch wütend ist.
„Es stinkt bestialisch, überall stehen Kakerlaken Fallen“
Der Bankangestellte (37) hat eine schicke, sehr gepflegte Wohnung; er schätzt die zentrale Lage und den tollen Blick auf die Skyline. Dass das Haus unscheinbar ist, stört ihn wenig, dass die Sauberkeit zu wünschen übrig lasse, dagegen sehr, „Im sechsten Stock stinkt es bestialisch, überall stehen Kakerlaken-Fallen, die Waschküche ist dreckig und in den Außenanlagen liegt der Müll. Man schämt sich ja! Wenn Besuch kommt, putze ich vorher den Flur.“ Auch klaube er oft Abfall aus den Grünanlagen. Dabei werden in der jährlichen Betriebskostenabrechnung 10 467,84 Euro für die Hausreinigung aufgelistet und weitere 5321,44 Euro für den Hauswart.
In der Wohnung des 37-Jährigen treffen sich an diesem Abend noch weitere Nachbarn, sie arbeiten in Gesundheits- oder Sozialberufen, wohnen zwei Jahre hier oder über drei Jahrzehnte – und passen nicht ins Klischee vom anonymen Hochhaus. Sie kennen und sie kümmern sich, haben sogar nachts ein offenes Ohr, wenn ein Nachbar in Not klingelt. Nur ihnen selbst höre niemand zu: „Wir fühlen uns aufgeschmissen. Wir zahlen unsere Miete und sind doch nur eine Vertragsnummer. Den Hauswart erreicht man häufig nicht, sogar wegen der Waschmarken muss man ihm nachlaufen.“
Wohnungsgesellschaft hat Räumungsklage eingereicht
Die Schaben sehen sie als letzten Beleg für einen Niedergang. „Viele bürgerliche Mieter ziehen aus.“ Nachmieter fänden sich rasch, doch oft seien sie sozial schwach oder Flüchtlinge, die sich mit Waschmaschine oder Mülltrennung anfangs schwer tun. Aufklärung und Integration könnten sie nicht allein leisten, sagen die engagierten Mieter. Doch die Vonovia stelle keinen Betreuer „und der Aushang, dass Abfall nicht in den Flur gehört und Ungeziefer anlockt, ist auf Deutsch.“
„Wir haben Flyer in vielen Sprachen und werfen sie demnächst in die Briefkästen“, versichert Vonovia-Sprecherin Bettina Benner auf Anfrage. Und: Der Objektbetreuer sei zwar nicht immer vor Ort, aber in der Regel telefonisch erreichbar. Für die Waschmarkenausgabe solle es künftig einen festen Tag geben. Die Kakerlaken-Problematik kenne man erst seit Juni, und die Vonovia bedauere sehr, dass sie nicht sofort Abhilfe schaffen konnte. „Wir kümmern uns vollumfänglich um diesen Vorgang.“ Man habe sogar eine Räumungsklage eingereicht, weil ein Mieter nicht „kooperativ“ sei.
Allen anderen stellt man nun eine Mieterversammlung in Aussicht. Bleibt zu hoffen, dass ihre Sorgen da gehört werden. Denn wie sagt eine Mieterin: „Dieses Haus könnte wie ein großes Dorf sein.“