Essen. . Gitarrist Thomas Hanz und Akkordeonist Jörg Siebenhaar lieben die Erkundung neuer Klangwelten. Aus Klassik, Jazz, Tango werden neue Hörerlebnisse

Ihr Lockvogel ist ein Papagei. So farbig, manchmal auch so lebendig und exotisch wie ihre Musik. „Loro“ also heißt die CD von Thomas Hanz und Jörg Siebenhaar, die eine Kostprobe gibt von dem, was Gitarre und Akkordeon zusammen können: mal im gefühlvollen Musette-Modus schwelgen, aber auch im zackigen Tango-Takt losstürmen. Seit vielen Jahren sorgen die beiden mit ihrem Zusammenspiel aus klassischer Interpretation und ungezügelter Improvisationslust, die keine Genre-Grenzen kennt, für neue Klang-Erlebnisse. Längst hat sich in diesen Dialog auch die große Orgel eingemischt, die Siebenhaar so blendend beherrscht wie das Akkordeon. Mit dieser Besetzung sind Hanz und Siebenhaar heute Abend auch beim Jazzfestival in Oberhausen vertreten.

Begegnet sind sich die Musiker, die beide an der Folkwang-Hochschule studiert haben, Ende der 1990er Jahre beim Essener Tango-Sextett „Un Tango Más“. Als Ensemblemitglieder einer gemeinsamen Tango-Tanzshow entwickeln die beiden bald auch ein eigenes Repertoire. Wenn der Tango seine leidenschaftlichen Haken auf der Tanzfläche schlägt, dann steht im das Akkordeon meist wie selbstverständlich zur Seite. Dass das Instrument mehr kann, das hat Siebenhaar schon als Jugendlicher herausgefunden. Zu Hause in Krefeld, wo es viele Instrumente gibt und viel Musik. Aber eben auch den manchmal schrägen Blick auf die Quetschkommode. „Wanzenpresse“ sagen sie in Wien, wo Siebenhaar schon als Kind beim Heurigen aufspielt. Irgendwann legt man das Instrument als Jugendlicher dann zur Seite, um es später wieder hervorzuholen und zu staunen über all die Möglichkeiten, die das Akkordeon bietet.

Auch für Thomas Hanz, unter anderem als Leiter des Gitarrenfestivals Ruhr oder als Duo-Partner von Sónnica Yepes bekannt, haben sich im Zusammenspiel neue Welten erschlossen: „Man kann uns beim Jazz-Festival treffen, aber auch bei einer Kammermusikreihe.“ Der Reichtum ihres Repertoires, er liegt in dem Entschluss, „die Volksmusikinstrumente ganz neu zu denken“, so Hanz.

Arvo Pärt und Astor Piazzolla haben da gleichermaßen Platz, werden mal verfremdet, mal im Original gespielt und immer wieder gern mit eigenen Kompositionen kombiniert. Selbst ein Vivaldi-Konzert hat im ungewohnten Zusammenspiel von Gitarre und Orgel so viel Klangfülle, dass das Publikum staunt: „Ihr klingt ja wie ein ganzes Orchester.“

Dieses bestens eingespielte Zwei-Mann-Orchester spielt klassisch, jazzt oder improvisiert, gastiert dabei in Kirchen und Konzertsälen: „Wenn es Grenzen gibt, dann sind sie fließend“, sagt Jörg Siebenhaar, der blinde Akkordeonist, der sich nicht nur auf „gemeinsame Schwingungen“ verlässt, wenn es um Einsatz und Tempi geht, sondern vor allem auf die Atmung von Thomas Hanz. „Ich sauge mich beim Spielen mit den Augen an ihm fest und bekomme so jede Regung mit“, erklärt der 51-jährige Musiker die besondere Verbindung eines außergewöhnlichen Konzertduos.