Essen. Das Essener Grillo Theater feiert an diesem Wochenende seinen 125. Geburtstag. Prominente Glückwünsche für das älteste Stadttheater im Revier.

125 Jahre Grillo: Das älteste Stadttheater im Revier feiert an diesem Wochenende Geburtstag. Mit einem großen Bürgerfest am Samstag und dem Festakt am Freitagabend, zu dem auch Ehrengäste wie NRW-Ministerpräsident Achim Laschet und BDI-Präsident Ulrich Grillo erwartet werden. Einer, der gerne mitgefeiert hätte, ist der ehemalige Grillo-Intendant Hansgünther Heyme.

Ehemaliger Intendant Heyme gratuliert aus der Ferne

Eine Eintrittskarte hätte es gegeben. Die „zehn Minuten Redezeit“, die er sich allerdings ausbedungen hätte, die waren im Programm nicht vorgesehen, sagt Heyme „Die jetzigen Theaterverantwortlichen lehnten mein Kommen dankend ab – man habe Reden zur Feierlichkeit schon lange disponiert.“ So gratuliert der renommierte Theatermann aus der Ferne – und mit dem Gefühl, einiges doch noch mal sagen zu müssen. „Ich habe ja unendlich viel investiert in diese Theaterstadt“.

Theaterregisseur Hansgünter Heyme gratuliert aus der Ferne.
Theaterregisseur Hansgünter Heyme gratuliert aus der Ferne. © Michael Korte/Funke Foto Services

Als er von Stuttgart nach Essen kommt, hatte er sich mit der Stadt überworfen und der dortigen Presse verkracht. Nach Essen, so Heyme, sei man damals „ins Exil“ gekommen. „Das war schon eine Liga drunter.“ Und nicht nur Ensemblemitglieder wie Margit Carstensen mussten vom Reiz des Ruhrgebiets erst einmal überzeugt werden, „das waren ja Stars“. Dann aber habe sich das Exil „als Sensation erwiesen“, resümiert Heyme. „Von der Intensität her waren das vielleicht die besten Jahre. Ich habe mich damals wahnsinnig wohlgefühlt.“

Das Grillo wäre heute ein Kaufhaus

Dabei sind die Grundvoraussetzungen Mitte der 1980er alles andere als günstig: Das Schauspielhaus ist baufällig, die Zukunft gefährdet. „Wenn mich die große Chefin des Essener Schauspiels, Ilka Boll, auf Anraten des Feuilletonchefs der FAZ, Hans Schwab-Fehlisch, nach meinem politischen Rauswurf in Stuttgart, nicht nach Essen gebeten hätte, würden wir heute im Grillo-Bau ein zentralgelegenes Kaufhaus haben“, ist sich Heyme sicher.

Doch die Rettung glückt. „Es gelang mir auf Anhieb, in Essen gutes, gewichtiges Theater zu machen. Ich fand ein grandioses, offenes und bald begeistertes Publikum und dann – in puncto Erhalt des Schauspiels, Erhalt des Grillo-Theaters – hilfsbereite Sponsoren“, so der 82-Jährige.

Begeistertes Publikum und hilfsbereite Sponsoren

Mit dem „mir schnell herzlich befreundeten Werner Ruhnau“ als Mitstreiter kämpft er gemeinsam um den Erhalt des Schauspielhauses. Und findet weitere Verbündete wie den damaligen OB Peter Reuschenbach oder Krupp-Chef Berthold Beitz, mit dem ihn bald eine enge persönliche Freundschaft verbindet. „Beitz kannte meine Eltern, die ein hochdekoriertes Gesellschaftstanzpaar waren. Und Beitz war ein Gesellschaftstanz-Begeisterter. Deshalb haben wir beide uns gut verstanden.“

Prominente Gratulanten

Martin Lindow, Schauspieler

"Werde Dich nicht vergessen! Als „Essener Jung“ hatte ich schon Anfang der 80er mein erstes Schülerabo für Oper,Tanz,Schauspiel bei Dir!Hattest noch drei Sparten!Wow! Dann bekam ich 1988 (als Folkwangstudent) meinen ersten Stückvertrag für „Die schreckliche, aber unvollendete Geschichte von Norodom Sihanouk, König von Kambodscha“ unter der Regie von Intendant Hansgünther Heyme (bis heute einer der charismatischsten Regisseure, die ich je kennengelernt habe). Dann von 1989 bis 1991 mein erstes Engagement! Bei Dir!Auch die große Ehre, Dich, liebes Grillo, mit dem „Sommernachtstraum“ (nach Umbauzeit) wiederzueröffnen! Deine Bretter waren die ersten, die für mich „die Welt bedeuteten“! Du warst damals 98 und ich 25! Wir beide quasi in den besten Jahren! Jetzt wirst Du 125 (sieht man Dir gar nicht an)! Auf Deine nächsten 125!Alles Gute und ein ganz herzliches Glückauf! Lass Dich feiern!Haste Dir verdient!“

Andreas Bomheuer, Kulturdezernent

"Das Stadttheater hat mich in meinem Leben begleitet. Seien es Stücke in meiner Jugend oder auch die Inszenierung von „Nachtasyl“ in der Waschkaue der Zeche Carl durch David Esrig, damals ein wichtiger kulturpolitischer Impuls. Das erste Theater im Revier, gegründet von einem Bürger der Stadt, dessen Familie ja aus Italien zugewandert ist, ist signifikant für das kulturelle Leben in unserer Stadt und Auftrag für die Zukunft.Anders als in höfisch begründeten Theater- und Kulturlandschaften hat hier ein Bürger das Theater für die Bürgerinnen und Bürger gestiftet, gedacht als Ort der Erbauung, der Bildung aber auch der Auseinandersetzung. Das Theater ist so gesehen bedeutsam für die Persönlichkeitsentwicklung eines jeden einzelnen wie für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.Wir sind Herrn Grillo noch heute für seine weise und zukunftsweisende Schenkung sehr dankbar.“

Thomas Kufen , Oberbürgermeister

"Essen kann auf eine der ältesten Theatergeschichten Deutschlands zurückblicken. Im Essener Münster wurde bereits vor rund tausend Jahren ein geistliches Schauspiel entwickelt, in dem Frauen die Rollen der Marien spielten.Im ausgehenden 19. Jahrhundert war das kulturelle Angebot für die Essenerinnen und Essener allerdings rar gesät. Es standen andere Dinge im Vordergrund, denn die Förderräder in der aufstrebenden Industrieregion Ruhrgebiet standen niemals still.In dieser Zeit geht der Industrielle Friedrich Grillo hin und verkündet 1887 vor dem Essener Stadtrat, er stifte 500 000 Mark, wenn es sein muss auch mehr, um damit ein Theater zu gründen. Seitdem unterhält das Grillo-Theater seine Zuschauerinnen und Zuschauer bereits über viele Spielzeiten. Das Jubiläum des Theaters ist wohl der passendste Rahmen, um dieses herausragende Engagement für die Essenerinnen und Essener zu würdigen.“

Tatjana Clasing, Schauspielerin

"Immer wenn ich das Wort Grillo-Theater höre oder lese, setzt sofort eine Art Pawlowscher Reflex ein: Das Herz schlägt verliebt schneller und ein Lächeln legt sich um den Mund –  das war die schönste Zeit, die ich je an einem Theater hatte . . . Dank durch und mit Jürgen Bosse ist damals ein Ensemble zusammengewachsen, dessen Verbundenheit teilweise bis heute besteht und das nicht nur wahnsinnig gerne miteinander spielte, sondern auch feierte und lebte – selbst die Urlaube wurden hin und wieder im Kreise mehrerer Kollegen verbracht, so dass Spielzeit und Freizeit nahtlose Übergänge hatten und zu einer wundervollen Lebenszeit wurden.“

Oliver Scheytt, Kulturdezernent in Essen von 1993 bis 2009

"Das Grillo-Theater steht für mich für den Beginn der Stadt Essen als Kunst- und Kulturstadt.125 Jahre sind fünf Genrerationen Kunst und Kultur in Essen. Fast vier Generationen lang  trafen sich die drei Sparten Schauspiel, Musiktheater und Ballett dabei unter einem Dach. Erst seit einer Generation haben wir in Essen auch ein eigenes Opern-Haus. Das Theater war aber auch ein entscheidender Kulminationspunkt für die Gründung der „Folkwang-Schule für Musik, Tanz und Sprechen“ 1927, eine Generation später. Folkwang und das Theater sind bis heute die entscheidenden Faktoren der Kunst- und Kulturstadt Essen.  Das Grillo-Theater steht dabei für ein Schauspielhaus, das tief in die Stadtgesellschaft hineinwirkt, ein richtiges Stadttheater. Das ist für den Erfolg in der fünften Generation entscheidend.“

Theodor Grütter, Direktor Ruhr Museum

"Friedrich Grillo war einer der bedeutendsten, aber auch der schillerndsten Industriepioniere im Ruhrgebiet. Er hat im Unterschied zu Krupp oder Thyssen nicht auf die Bildung von großen Konzernen und Industriellen-Dynastien gesetzt, sondern als innovativer Geist Zechen abgeteuft und Stahlfabriken gegründet, aber auch diese gewinnbringend weiterverkauft. Noch stärker als mit seiner Heimatstadt Essen wird er mit Gelsenkirchen in Verbindung gebracht, wo er den Stadtteil Schalke mit der Zeche Consol und den Grillo-Funke-Werken alleine erbaute. Und trotzdem richtete sich kurz vor seinem Tod seine bedeutendste Stiftung an Essen, das erste Stadttheater im Ruhrgebiet, das auch noch heute nach 125 Jahren nach seinem Tod seinen Namen trägt.“

Georg Ruhnau, Architekt

"Tradition und Moderne: Neorenaissance, Nachkriegsarchitektur und variabler Spielraum –  das Grillo-Theater vereint 125 Jahre Baugeschichte. Die Stadt Essen kann stolz sein, ein kulturelles Gebäude dieser Qualität ihr Eigen zu nennen. Das Grillo-Theater begleitet mich mein Leben lang. Nicht alleine in meiner Profession als Architekt habe ich den Wandel des Bauwerks begleitet, sondern führe auch interessierte Bürgerinnen und Bürger regelmäßig durch das Haus. Es hat eine wechselvolle Geschichte durchlaufen, vom Volkstheater im Sinne Friedrich Grillos zu einem bedeutenden sozialen und geistigen Zentrum der Stadt mit zeitgemäßer multifunktionaler Nutzungsmöglichkeit für freie, lebendige Kunst. Demokratie ist Lebendigkeit, Teilhabe, Veränderung sowie Freiheit –  auch und vor allem in der Kunst. Nicht immer einfach, denn Freiheit muss täglich neu erlernt und erlebt werden, gemeinsam, in der Stadtgesellschaft, im Theater. Herzlichen Glückwunsch zu 125 Jahre Wandel und Präsenz, weiter so!“

Hans Martz, Vorsitzender des Freundeskreises Theater und Philharmonie Essen e.V.

"Das Grillo-Theater ist mit der Essener Geschichte eng verbunden und wäre ohne die großzügige Spende einer Essener Kaufmannsfamilie nicht möglich gewesen. Die Essener Bürger können stolz sein auf ein Schauspielhaus, das seine Zuschauer immer wieder aufs Neue begeistert. Damit dies so bleibt, engagiert sich der Freundeskreis Theater und Philharmonie Essen e.V. seit mehr als 30 Jahren mit namhaften Spenden dafür, das kulturelle Niveau im Schauspiel und in den anderen Sparten der TuP auf Spitzenniveau zu halten. Als verlässlicher Partner wünschen wir dem Grillo-Theater weiterhin viele künstlerische Erfolge und viele weitere „runde“ Geburtstage.“

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Gabriela Grillo ritt bei den Proben mit einem Pferd ein

Da ist ferner Gabriela Grillo, Nachfahrin des Theater-Stifters und einstige Olympiasiegerin im Dressurreiten: „Bei den Proben zur Eröffnungspremiere ritt sie zwischen Bühne und der noch nicht montierten 1. Zuschauerreihe ein“, erzählt Hemye. Da sind die Mitstreiter „aus dem Vorstand der Folkwang-Hochschule, der Awo und der potenten und tollen Verwaltung des Theaters“, schwärmt der Regisseur.

Ein Blick in den von Werner Ruhnau umgestalteten Theatersaal
Ein Blick in den von Werner Ruhnau umgestalteten Theatersaal © Ruhrmuseum

Während im Revier der „Theatertod umgeht“, sammelt er in Essen viele Hilfsgelder. „Ich mobilisierte mit anderen Theaterleuten im Pott den Hilfsfonds, also den Feuerwehrtopf des damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau: Das Schauspiel in Essen, das Theater in Gelsenkirchen wurden erhalten.“

Deutsche Erstaufführung mit Hubschrauber-Rotoren in der Theaterdecke

Kurz vor dem Umbau gelingt Heyme noch ein ungewöhnlicher Durchbruch. Im schon halbzerstörten Theater-Bau („das Dach hatte schon ein zehn Meter großes Loch“ ) geht die Deutsche Erstaufführung der zwei Teile des Sihanouk-Theater-Monsters der Ariane Mnouchkine über die Bühne – inklusive Hubschrauber-Rotoren inmitten der Theaterdecke. „Viele Einzel-Erfolge des Schauspiels, auch im neu eröffneten Aalto, halfen – und wir eröffneten mit Shakespeares Sommernachtstraum – das neue Raumtheater“, erinnert Heyme.

Zum Jubiläum: Der Schauspieler Axel Holst als Friedrich Grillo.
Zum Jubiläum: Der Schauspieler Axel Holst als Friedrich Grillo. © Philip Lethen

Dass die variable Bühne aufgrund des großen Zeitaufwands und hoher Kosten später nie mehr genutzt worden ist, schreibt Heyme dem Umstand zu, dass die Umbauten nur manuell und nicht mechanisch zu erledigen seien, „ein ungeheurer Aufwand“, beklagt der Regisseur. Und ein falscher Kosten-Kompromiss: „Das wurde wieder zurückgefahren, weil das Geld am Ende nicht da war.“

Ich vermisse diesen herrlichen Bau!

Der „Kampf ums Geld“ geht weiter, als Heyme 1992 nach Bremen wechselt. „Wiederum politisch gezwungen.“ Ein Kontinuum seiner Karriere. Heyme, der nicht nur auf der Bühne, sondern auch bei Lesungen politisch Stellung bezieht, hat gegen die „mit der Stadt engstens liierte Hochtief AG“ Front gemacht. Es sei um Lieferungen für den Bau von Raketen-Abschuss-Basen in Syrien gegangen, erklärt Heyme rückblickend: „Ein Verstoß gegen das Waffen-Embargo.“ Der Spiegel berichtet, Heyme steigt ein. „Der damalige Stadtdirektor Busch erklärte mir: Meines Bleibens als Schauspielchef in Essen sei nun nicht mehr “.

So ist die Erinnerung bis heute auch „mit großem Schmerz“ verbunden. „Ich wäre gern geblieben.“ Zurückgekommen ist er nie mehr, doch über die Zeit in Essen spricht er gerne. „Ich gratuliere total herzlich dem grandiosen Publikum, der großen Stadt - zum großen Jubiläum. Ein so tolles Haus! Ich vermisse ihn sehr, diesen herrlichen Bau!“