Essen. . In der ersten Badesaison am Baldeneysee nach 46 Jahren war das Baden an 47 Tagen erlaubt. Es hätten mehr als doppelt so viele sein können.

  • Ruhrverband zieht nach ersten Badesaison am Baldeneysee positive Bilanz: an 47 Tagen Baden erlaubt
  • Frühwarnsystem schlug an 78 Tagen an. An den allermeisten davon lag Keimbelastung unter den Grenzwerten
  • Ruhrverband will nicht nachjustieren, sondern Forschungsprojekt abwarten. Ergebnisse in zwei Jahren

Zum Abschluss der ersten Badesaison am Baldeneysee nach 46 Jahren hat der Ruhrverband ein ausgesprochen positives Fazit gezogen. So war das Baden an der neu eingerichteten Badestelle am Seaside Beach in diesem Sommer an insgesamt 47 Tagen erlaubt. Das zur Kontrolle der Wasserqualität eingerichtete Frühwarnsystem hatte an 78 Tagen angeschlagen, so dass die Stadt Essen ein Badeverbot aussprach. Messungen des Ruhrverbandes ergaben allerdings, dass die tatsächliche Belastung des Ruhrwassers mit gesundheitsgefährdenden Keimen nur an einigen wenigen Tagen über den zulässigen Grenzwerten lag.

Grenzwerte wurden nur an zehn Tagen überschritten

So wurde der Wert für E-Coli-Bakterien lediglich an acht Tagen überschritten, der Wert für Enterokokken an nur zwei Tagen. Beide Keime können beim Menschen Darmerkrankungen auslösen. Auch die Stadt Essen hatte Wasserproben nehmen lassen, und zwar derer sechs. Das Ergebnis: Alle sechs Messungen erfüllten die Bedingungen, die der Gesetzgeber von Gewässern mit „ausgezeichneter Badequalität“ verlangt. „Wäre nur die tatsächlich vorhandene Keimbelastung für das Badeverbot ausschlaggebend gewesen, hätte in dieser Saison an rund 100 Tagen gebadet werden dürfen“, berichtete Norbert Jardin, technischer Vorstand des Ruhrverbandes.

Das Frühwarnsystem schlägt an, wenn an mindestens einer von insgesamt sechs Messstellen mehr Niederschlag fällt als fünf Millimeter. Denn in diesem Fall geht der Ruhrverband davon aus, dass Regenrückhaltebecken überlaufen und ungeklärtes Wasser in die Ruhr abfließen kann.

Das Frühwarnsystem sei ganz bewusst „eher konservativ, eher sicher“ ausgelegt, betonte Jardin. Konkrete Messergebnisse liegen jeweils erst 48 Stunden später vor. Mindestens so lange bleibt das Baden untersagt.

Jardin räumte ein, dass aufgrund der wenigen Überschreitungstage der Gedanke nahe liege, dass Frühwarnsystem zu lockern. Diese Frage werde der Ruhrverband mit Blick auf die Badesaison 2018 mit den Verantwortlichen bei der Stadt Essen auch diskutieren. Schließlich wird die Badestelle von der Bevölkerung sehr gut angenommen. In der ersten Saison wurden am Seaside Beach immerhin 7700 Besucher gezählt.

7700 Besucher in der ersten Badesaison

Jardin warnt allerdings vor Schnellschüssen. „Nach 46 Jahren Badeverbot ist uns die Sicherheit der Badenden am wichtigsten.“ Deshalb könne er nicht empfehlen, auf gesicherte Erkenntnisse zu verzichten.

Diese verspricht sich der Ruhrverband von der Teilnahme an einem weiteren Forschungsprojekt zum Thema „Flusshygiene“, so der gleichlautende Titel. Untersucht wird der Einfluss von Mikroorganismen und Krankheitserregern, nicht nur an der Ruhr, sondern auch an Spree, Rhein und Mosel. Rund 2,8 Millionen Euro Forschungsgelder des Bundesumweltministeriums fließen in das Vorhaben. Ziel sei es, mit Hilfe zusätzlicher Messeinrichtungen Aussagen über die tatsächliche Keimbelastung treffen zu können. Angebracht werden sollen Messgeräte beispielsweise an Regenüberläufen in der Kanalisation. Die Messergebnisse sollen in das Frühwarnsystem eingepflegt werden, so dass sich präziser als bisher vorhersagen lässt, wann das Baden aufgrund der Keimbelastung nicht gestattet werden kann.

Das Forschungsprojekt ist auf zwei Jahre angelegt. So viel Zeit will der Ruhrverband sich nehmen.

In der Schweiz schwimmt jeder auf eigenes Risiko

Während man in Essen so tut, als wäre Schwimmen in Naturgewässern nur durch rigide Bürokratie verantwortbar, springt man in Süddeutschland traditionell an vielen Stellen einfach ins Wasser. Das allerdings auf eigene Gefahr, worauf unmissverständlich hingewiesen wird. Am Bodensee etwa wäre es unmöglich, alle Badestellen zu kontrollieren, auch in Bayern setzt man auf den eigenveranwortlichen Bürger. Noch liberaler ist die Schweiz, wo man sich traditionell nicht so gerne vom Staat ins private Leben hineinreden lässt. Bei einer Tagung des Ruhrverbands zum Thema Badegewässer war jüngst auch Philipp Staufer vom Umweltamt des Kantons Solothurn in Essen zu Gast. Ein Gespräch.

Herr Staufer, wie hält es die Schweiz mit dem Bade-Thema?

Schwimmen in Naturgewässern ist grundsätzlich überall erlaubt, wo es nicht ausdrücklich verboten ist und hat eine lange Tradition.

Das klingt einfach. Wie gewährleisten Sie, dass die Wasserqualität stimmt?

Dr. Philipp Staufer, Amt für Umwelt des Kantons Solothurn.
Dr. Philipp Staufer, Amt für Umwelt des Kantons Solothurn. © privat

Es gibt etwas andere Rechtsnormen. In der Schweiz entnimmt man einem See einen Becher Wasser, das wird dann analysiert, und wenn die Ergebnisse nichts Auffälliges ergeben, genügt das erst einmal und der Staat hat seine Schuldigkeit getan. In Deutschland sind die Verfahren wegen der Europäischen Badegewässer-Richtlinie sehr viel aufwendiger.

Wie steht es denn um die Sauberkeit in Ihren Gewässern?

Die ist schon sehr gut. In der Regel handelt es sich um Bergwasser, die großen Seen dienen auch als Abklingbecken für Schadstoffe. Aber es gibt auch Belastung durch Industriechemikalien Medikamentenreste, Einträge aus der Landwirtschaft.

Neben der Wasserqualität, spielt in Essen auch die Angst vor Unfällen eine große Rolle. Deshalb gab es lange keine Badestelle. Wie ist es bei Ihnen?

Die Gefahr des Ertrinkens wird eher als Problem von Touristen wahrgenommen. Wer freiwillig Risiken auf sich nimmt, etwa in einem Naturgewässer schwimmt, der muss dann auch mögliche Folgen tragen. Es wäre unmöglich, an allen Gewässern Schutz und Aufsicht zu gewährleisten. Aber das will hier auch so recht keiner, da gibt es in der Schweiz wohl eine andere Mentalität.