Essen. . Das Grillo-Theater in Essen wird 125 Jahre alt. Im Interview spricht Intendant Tombeil über Geschichte, Geld und gesellschaftlichen Wandel.

Das älteste Stadttheater im Ruhrgebiet feiert Geburtstag. Das 125 jährige Jubiläum des Grillo-Theaters sorgt in der neuen Spielzeit für viele Highlights. Den Auftakt des Jubiläumsjahres bildet ein Festakt und ein großes Theaterfest am 16. September. Mit Martina Schürmann sprach Schauspiel-Intendant Christian Tombeil über Vergangenheit und Zukunft des Hauses.

Herr Tombeil, das Grillo-Theater wird 125 Jahre alt. Wie bringt man Geschichte und Gegenwart in der Jubiläumsspielzeit zusammen?

Die Themen liegen im Moment auf der Straße. Das Motto unserer Jubiläumsspielzeit „Wer zahlt die Zeche“ hängt natürlich auch mit dem Ende der Bergbau-Tradition zusammen, nächstes Jahr schließt die letzte Zeche. Aber es geht auch um die Entwicklung vom florierenden Wirtschafts-Standort zum Armenhaus Deutschlands. Wenn das Publikum zum Spielzeitauftakt dann auch noch ein Stück auswählt, das davon erzählt, wie eine verschuldete Stadt mit einer reichen Spenderin umgeht, sagt das ja alles. Die Bürger wollen die Auseinandersetzung, sie wollen ihr Theater. Und das wollen sie seit 125 Jahren.

Das Grillo-Theater ist Ausdruck von historischem Bürgerstolz. Wie steht es heute um den Stolz auf das älteste Stadttheater im Revier?

Wenn ich an das treue Stammpublikum denke, kann ich sagen: Ja, dieser Stolz ist da, bis heute. Das Haus ist entstanden, weil die Bürger einen festen Theaterbau wollten. Und der Saal war von Anfang an so konzipiert, dass die Hälfte der Plätze fürs Bürgertum, die andere Hälfte aber für die Arbeiter reserviert war. Das Haus ist ein Theater für alle Essener. Bei der Stadtpolitik ist durchaus noch Luft nach oben, was den Stolz auf ihre Kulturbauten angeht. Aber angesichts der vielen Krisen, die das Haus schon überstanden hat, ist das Jubiläum eigentlich ein Beweis dafür, wie robust und stabil das Essener Theater ist. Das müsste zu einem großen Stolz führen und zu der Entscheidung: Das dürfen und wollen wir nicht kaputt kriegen!

Historische Aufnahme vom Grillo Theater in Essen.
Historische Aufnahme vom Grillo Theater in Essen. © Ruhrmuseum.

Essen ist das älteste, aber nicht das einzige Theater in der Region. Bochum hat die große Theater-Geschichte, Düsseldorf das große Geld. Wie positioniert sich Essen?

Wir haben den Luxus, dass wir uns dazwischen als das vielleicht politischste Theater in NRW ausrichten konnten, ähnlich wie Dortmund. Wir bieten in diesen Zeiten einen Diskussionsort für die Aufbereitung von Themen, die man sonst vielleicht gar nicht mehr verstehen kann. Das ist wichtig und sicher richtig in dieser Stadt. Stücke wie „Jago“ oder „Rote Erde“ würden in Bochum vielleicht gar nicht so funktionieren. Man muss schon Theater für die Menschen in der Stadt machen, ohne natürlich bloß zu bedienen. Aber Themen, die mit der Lebenswelt nichts zu tun haben, die interessieren nicht so.

Mit der Casa Nova hatte Essen lange Zeit auch ein führendes Jugendtheater. Wie jugendfreundlich ist das Schauspiel Essen heute?

Wir haben in der vergangenen Spielzeit über 60 000 Zuschauer gezählt, rund 30 Prozent sind davon zwischen 2 und 18 Jahre alt. Das große Familienstück vor Weihnachten ist natürlich ein Schwerpunkt. Aber Jugendliche ab 14 wollen wir ganz bewusst nicht mit klassischen Schulstücken am Vormittag ködern, sondern an den Abendspielplan heranführen. Zu unserem „Werther“ geht man eher, weil er Kult ist. Das hat sich in den letzten zehn Jahren geändert: Theater fängt wieder an, hip zu werden.

Als Sie 2010 ans Haus gekommen sind, gab es Debatten um Einsparungen und mögliche Fusionen. Wie ist die aktuelle Situation?

Das Thema Fusion ist so alt wie dieses Haus. 1904 haben Essen und Dortmund schon gemeinsam einen „Ring“ produziert. Es gab Fusionen mit Neuss, mit Gelsenkirchen und zu meiner Anfangs-Zeit Gespräche mit Oberhausen. Momentan sind diese Diskussionen vom Tisch. Meiner Meinung nach eine richtige und wichtige Entscheidung der Kulturpolitik. Ich wähle da gerne einen Vergleich aus der Fußballwelt. Aus wirtschaftlichen und sportlichen Gründen würde es vielleicht Sinn machen, Borussia Dortmund und Schalke 04 zu fusionieren, um etwas gegen die Bayern ausrichten zu können. Aber das würde nie passieren. Denn abgesehen von der Frage, was das wirtschaftlich bringt, verlieren die Städte damit Identität.

Trotzdem könnte die finanzielle Ausstattung besser sein?

Sicher. Die Einschnitte waren schmerzlich, mehr Geld wäre gut, aber es gibt auch Häuser wie Hagen oder Wuppertal, wo die Etatlage noch viel dramatischer ist. Meiner Meinung nach muss es im ganzen Land eine breite politische Willensbildung geben, die da heißt: Wir wollen uns Kultur leisten. Wir sehen das als wichtiges Instrument für eine stabile Gesellschaft. Und bei den marginalen Kosten auf die Republik gerechnet, ist der Nutzen der Institute viel höher als die nicht mal zwei Prozent, die pro Jahr in Deutschland in die Kultur fließen. Man könnte es den Kommunen leichter machen, wenn man Kultur endlich in den Verfassungsrang stellen würde, dann wäre es keine freiwillige Leistung mehr.

Festakt zum Grillo-Geburtstag mit Armin Laschet

So feierlich, wie das Grillo-Theater 1892 im Kreise der Bürger eröffnet wurde, so feierlich will das aktuelle Theaterteam auch den 125-jährigen Geburtstag begehen: Beim Festakt am Freitag, 15. September, ab 19.30 Uhr feiern Vertreter aus Politik, Kultur und Gesellschaft zusammen mit dem Essener Publikum den Theatergeburtstag: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet überbringt Glückwünsche des Landes, OB Thomas Kufen spricht und Ulrich Grillo, Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie BDI, hält den Festvortrag.

Musikalische und getanzte Glückwünsche dürfen nicht fehlen. Unter der Leitung von GMD Tomás Netopil spielen die Essener Philharmoniker Ludwig van Beethovens Ouvertüre „Die Weihe des Hauses“ sowie – verstärkt durch die Sopranistin Elbenita Kajtazi und die Herren des Aalto-Opernchores – die Ouvertüre, die Arie des Ännchen sowie den Jägerchor aus Carl Maria von Webers „Der Freischütz“.

Historisches Weihfestspiel kommt auf die Bühne

Außerdem präsentieren die Solisten und das Corps de ballet des Aalto Ballett Essen, der Schauspieler Rezo Tschchikwischwili und Igor Savoskin am Klavier Ausschnitte aus Ben Van Cauwenberghs Choreographie „La vie en rose“. Das Geburtstagständchen singen Ensemblemitglieder und Mitarbeiter des Hauses zusammen mit der Band „Tante Polly“.

Und um sich so richtig in die Zeit vor 125 Jahren einfühlen zu können, erinnern die Schauspieler Jens Winterstein (Vater Rhein), Ingrid Domann (Tochter Ruhr), Floriane Kleinpaß (Die Kunst) und Axel Holst als Friedrich Grillo an das Historische Weihfestspiel von H. Héoumont, das schon bei der Eröffnung des Grillo-Theaters 1892 über die Bühne ging.