Essen. Vor Wahlen keine städtischen Räume für Politik-Zwecke: Was mal zum Schutz von Schulen gedacht war, wurde stark ausgeweitet – nur nicht für jeden.
- In Essen gilt: Ab drei Monate vor der Wahl gibt es für politische Parteien keine städtischen Räume mehr
- Bei der AfD wird das Verdikt strikt eingehalten, bei anderen Parteien zeigt man sich deutlich großzügiger
- Beim OB-Wahlkampf fand in der städtischen VHS sogar keine zwei Wochen vor der Wahl eine Diskussion statt - mit dem heutigen OB Kufen
Drei Monate vor Wahlen keine politischen Veranstaltungen in städtischen Gebäuden – für manche Partei ist das eine Regelung, die den Wahlkampf erschwert und die offenbar zu Umgehungstatbeständen einlädt. So riskierte die Essener AfD juristischen Ärger, als die Partei auf dem Gelände der Zeche Carl agierte.
Die Linken mussten am gleichen Ort eine Veranstaltung in letzter Minute absagen, weil schließlich gleiches Recht für alle gilt. Unabhängig von politischen Farben stellt sich aber die Grundsatzfrage: Was ist überhaupt der Sinn und Zweck eines solchen Verbots, da doch Parteien laut Grundgesetz nicht etwa Störenfriede sind, sondern ganz im Gegenteil an der politischen Willensbildung ausdrücklich mitwirken sollen?
Erst waren nur Schulen tabu, später auch alle anderen städtischen Gebäude
„Grundlage für das Verbot ist eine vom Rat beschlossene Satzung aus dem Jahr 2002, die parteipolitische Veranstaltungen in Schulen drei Monaten vor Wahlen ausschließt“, sagt Jasmin Trilling vom Pressebüro der Stadt. Hintergrund war der Schutz von Schulen vor allzu rabiatem politischen Streit in ihren Mauern. In der Praxis habe sich dann nach und nach eingebürgert, dass alle städtischen Gebäude für diese Zwecke tabu sind. „Theoretisch ließe sich das wieder ändern, etwa durch Beschluss des Verwaltungsvorstands“, so Trilling. Dazu bedürfe es nicht einmal eines Ratsbeschlusses, denn die Satzung spricht ja eben nur von Schulgebäuden, die außen vor bleiben müssten.
Die Stadt hat allerdings nicht vor, hier liberalisierend tätig zu werden. „Nach Rücksprache mit dem Büro des Oberbürgermeisters kann ich Ihnen sagen, dass wir bei der Drei-Monats-Regelung bleiben werden“, so Trilling. Ähnlich hatte sich vor einigen Tagen Thomas Kufen selbst geäußert, der es als OB-Kandidat allerdings nicht so genau genommen hat mit dem städtischen Politik-Verdikt.
Sommerfest der Linken im Freibad Steele war kein Problem
So kreuzten CDU-Politiker Kufen und der damalige Amtsinhaber Reinhard Paß (SPD) Anfang September 2015 in der Volkshochschule am Burgplatz – und damit zweifellos in städtischen Räumlichkeiten – die Klingen, auch wenn nicht ihre Parteien die Einlader waren. Bis zur OB-Wahl waren es da nicht einmal mehr zwei Wochen.
Auch derzeit scheint es keine klare Linie zu geben bei der Genehmigung von Partei-Veranstaltungen vor Wahlen in städtischen Gebäuden und Liegenschaften. So wurde bekannt, dass die Essener Linken vorvergangenen Freitag im verpachteten städtischen Freibad Steele ihr wahlkampfgetriebenes Sommerfest veranstalteten. Motto: „Sommer, Sonne, Sozialismus“. Interveniert hatte niemand, obwohl das Fest ganz ohne Zweifel innerhalb der Drei-Monats-Frist stattfand.