Essen. . Das Ludgerus-Fest in Essen-Werden bringt viele Gläubige in die Abteikirche und auf die Straße. Die Tradition überwindet konfessionelle Grenzen.

  • In essen-Werden war die Prozession mit dem Ludgerus-Schrein Höhepunkt des Ludgerus-Festes.
  • Vielen ist diese Tradition, bei der Ludgerus’ Gebeine durch Werden getragen werden immer noch wichtig.
  • Im kommenden Jahr wird die traditionsreiche Prozession in Essen-Werden zum 890. Mal zelebriert,

Unter Glockengeläut öffnet sich die massive Holztür der Werdener Abteikirche St. Ludgerus. Schweigend schreiten Fahnenträger und der Klerus aus dem Gotteshaus, gefolgt von der eucharistischen Ehrengarde, die ein Spalier auf dem Vorplatz bildet. Dann taucht der kostbare Silberschrein des heiligen Luidger ins Sonnenlicht. Vier Männer und Frauen tragen die Gebeine des Klostergründers in einer feierlichen Prozession durch den Stadtteil an der Ruhr, begleitet von hunderten Gläubigen. Was wie ein Szenario aus einer längst vergangenen Welt wirkt, ist für viele Werdener eine Tradition, die sie mit Inbrunst zelebrieren. Und zwar seit 1128: So lange schon wird das Ludgerusfest an jedem ersten Sonntag im September gefeiert.

Abteikirche ist voll besetzt

Dass das Bistum Essen vor schweren Entscheidungen steht, aufgrund von ständig schrumpfenden Mitgliederzahlen zukünftig wohl weitere Kirchen schließen wird, merkt man an diesem Sonntag nicht. Bis zum letzten Platz ist die Werdener Abteikirche besetzt, auch auf den Gängen und an den Seiten stehen die Menschen, um an dieser besonderen Messe zu Ehren des heiligen Luidger teilzunehmen. Es sind nicht nur ältere Katholiken, die heute hier gemeinsam beten.

Auch viele Familien mit kleinen Kindern sind in die Kirche gekommen. So wie Lea Grau: „Mich erfüllt es jedes Mal mit Stolz und Ehrfurcht, Teil dieser fast tausendjährigen Geschichte zu sein“, sagt die zweifache Mutter. In einer christlichen Familie groß geworden, empfindet es die 37-Jährige als Bereicherung, diese Tradition zu leben und auch an ihre Kinder weiterzugeben. Aus der Zeit gefallen sei diese Art des Glaubensbekenntnisses nicht. Im Gegenteil: Die Hinwendung zu inneren Werten, die im besonderen Maße Luidger verkörpert, sei für sie gerade in der heutigen Zeit wichtiger denn je.

Mitreißende Spiritualität

So empfinden die meisten Gläubigen, die zur Prozession gekommen sind und damit einen Zusammenhalt demonstrieren, der auch außenstehende Betrachter wie Rolf Saalmann, der zum ersten Mal dabei ist, tief beeindruckt. „Man spürt die Spiritualität und lässt sich davon mitreißen“, sagt er. Erstaunlich auch, wie viele Prozessionsteilnehmer sich intensiv mit dem Leben und Wirken des heiligen Luidger auseinandergesetzt haben.

„Für mich ist er einer der ersten Menschen, der den europäischen Gedanken gelebt hat, also Menschen miteinander verbunden hat“, sagt Günther Meyer und zählt auswendig die Lebensdaten des Heiligen auf: In Utrecht geboren, im englischen York studiert, in Köln zum Priester geweiht, waren Rom, Sachsen (als Missionar) und schließlich Münster, Werden und Billerbeck die weiteren Stationen in Luidgers Leben. Und so wundert es nicht, dass unter den Prozessionsteilnehmern auch viele Niederländer, Münsteraner und Billerbecker Bürger zu finden sind.

Der Heilige aller Werdener

Mittlerweile ist die Prozession an der evangelischen Kirche an der Heckstraße angekommen, wo gemeinsam das Vaterunser gebetet wird. Obwohl die lutherische Kirche eigentlich keine Heiligenverehrung kennt, macht sie bei Luidger eine Ausnahme. „Er ist eben der Heilige aller Werdener, ob katholisch oder evangelisch“, sagt Arnulf Hilke. Seit 50 Jahren wohnt dessen Familie in Werden, „für uns ist das Ludgerusfest der höchste Feiertag direkt nach Weihnachten“, ergänzt seine Frau Margret. Ein paar Meter weiter steht Radegund Kampschulte und singt inbrünstig das Ludgeruslied mit. Die 77-Jährige lebt zwar seit 1975 nicht mehr in Werden, aber das Ludgerusfest lässt sie sich nie entgehen. „Ich bin damit aufgewachsen, das ist ein wichtiger Teil meines Lebens“, erzählt sie.

In ihrer Erinnerung war die Prozession früher allerdings viel größer, waren die Werdener Straßen schwarz vor Menschen und jedes Haus mit Fahnen geschmückt. „Vielleicht werde ich das nochmal so erleben. Wer weiß das schon“, seufzt sie und begleitet die Gebeine zurück in die Schatzkammer der Abtei. Dort bleiben sie bis zum nächsten Jahr. Dann wird die Prozession zum 890. Mal zelebriert.