Essen. Die Stadt spart an der falschen Stelle. Für Neues ist Geld da, für Erhalt des Bestehenden nicht. Bei der Grünpflege wird das besonders deutlich.

Wohin man auch schaut, es mangelt in Essen an Grünpflege: Unbenutzbare Ruhebänke, Spazierwege mit zudringlichen Brennnesseln, Aussichtspunkte ohne Aussicht, schlichteste Bepflanzung in Parks, die von ihren Schöpfern vor hundert und mehr Jahren mal mit Liebe zum Detail errichtet wurden. Wäre nicht zufällig Grüne Hauptstadt und stünde deshalb außer der Reihe nicht etwas mehr Geld zur Verfügung, alles sähe wohl noch viel schlimmer aus. Dennoch sind die Bürger zu Recht empört, und ihr Zorn richtet sich gegen eine Verwaltung, die all dies zulässt.

Ist das berechtigt? Ein einfaches Ja oder Nein fällt nicht so leicht wie es scheint. Tatsache ist, dass der Grün und Gruga-Betrieb personell systematisch heruntergespart wurde. Es ist das alte Lied: Neues eingeweiht wird stets gern, Geld spielt da manchmal überhaupt keine Rolle – die überflüssigen Stelen an den Essener Aussichtspunkten, für die man bei der Grünen Hauptstadt immerhin 350 000 Euro ausgegeben hat, sind nur das aktuellste Beispiel.

© Uwe Emkes

Die Pflege des Bestehenden ist hingegen ein Stiefkind. Da Substanz zunächst geduldig ist und der Effekt von Verwahrlosung schleichend eintritt, sind Einsparungen hier offenbar leichter durchsetzbar. Erst später, wenn die Probleme überhand nehmen, wird klar, was angerichtet wurde. Wenn gegenüber früher für Grünpflege nur noch ein Drittel des Personals zur Verfügung steht, kann man jedenfalls schlecht erwarten, dass diese Rumpfmannschaft dieselbe Leistung bringt.

Es gab niemals eine ernsthafte Aufgabenkritik

Es wäre allerdings falsch, nun die Sparpolitik generell zu verurteilen. Für die hochverschuldete Stadt Essen gab es dazu keine Alternative. Man fragt sich aber, warum es beim Sparen ausgerechnet diejenigen so überproportional treffen muss, deren Arbeit für das Außenbild der Stadt und die Lebensqualität der Bürger besonders wichtig sind. Es rächt sich jetzt, dass im Rathaus niemals eine ernsthafte Aufgabenkritik unternommen wurde. Klar ist nur: Leute, die mit Spaten und Gartenschere umgehen können oder sonst unmittelbar nutzbringend tätig sind, hatten beim großen Spar-Roulette nicht die beste Lobby.

Es wird Zeit, dass dieser Prozess nachgeholt wird. Die Stadtverwaltung ist in erster Linie Dienstleister für die Bürger und oberster Hüter der städtischen Infrastruktur. Alles andere ist zweitrangig, vor allem das Beschäftigen mit sich selbst. Dabei ist unbestritten, dass es Zwänge gibt, für die auch die Stadt nichts kann, weil Bundes- und Landesgesetze ein immer engeres Korsett schnüren. Das Absichern nach allen Seiten verschlingt enorme Ressourcen, Überbürokratisierung und mangelnde Dienstleistungsqualität sind zwei Seiten einer Medaille. Damit abfinden darf man sich nicht.

Bürger sollen mit der Gartenschere helfen - aber ist das überhaupt legal?

Aber was ist kurzfristig möglich? Der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Rüttenscheid, Rolf Krane, äußerte jüngst im Netzwerk Facebook einen kühnen Gedanken: Bürger sollten sich bei Spaziergängen doch selbst mit Gartenscheren bewaffnen und Zustände beseitigen, wie sie auf dem Bild zu sehen sind. „Wir sitzen alle in einem Boot und die bezahlte Mannschaft kann kaum noch helfen“, schrieb er, um einzuschränken, dass Selbsthilfe ohne jede Organisation wahrscheinlich gar nicht erlaubt ist, weil sie nicht fachgerecht wäre.

Nichts verdeutlicht wohl mehr die bürokratisierte Absurdität, in der wir uns bewegen. Die Stadt kann an bestimmten Zuständen kaum noch etwas ändern, und die Bürger dürfen es (streng genommen) nicht. Also bleibt die Ruhebank unbenutzbar und geht mittelfristig kaputt. Das wiederum ist erlaubt.