Essen. . Kurzfristiger Führungswechsel in der Domschatzkammer: Andrea Wegener übernimmt die Leitung. Vorgängerin hat Amt nach wenigen Monaten abgegeben
„Essen sein Schatz“ bleibt in Frauenhand. So wie die Äbtissinnen im Essener Damenstift über Jahrhunderte wertvolle Schätze wie den siebenarmigen Bronze-Leuchter, kostbare Kreuze, Schalen, Reliquiare und Handschriften angeschafft, genutzt und gepflegt haben, so bleibt der über 1000 Jahre alte Essener Domschatz auch weiterhin unter weiblicher Führung. Allerdings kam der Wechsel diesmal überraschend schnell. Die Kunsthistorikerin Vera Henkelmann, die erst im Herbst 2016 die Nachfolge der langjährigen Leiterin Birgitta Falk angetreten hatte, hat das Amt bereits wieder abgegeben. Man habe sich nach der Probezeit einvernehmlich getrennt, heißt es aus der Pressestelle des Bistums Essen. Und vermeldet bereits eine Nachfolgerin. Die Essener Kunsthistorikern Andrea Wegener übernimmt nach einigen Monaten der kommissarischen Leitung ab Mitte September die volle Verantwortung für den Essener Domschatz – und leitet zugleich weiterhin die Schatzkammer an der St. Ludgerus-Basilika Werden.
Die 38-Jährige, die in Düsseldorf Kunstgeschichte und Kunst mit dem Schwerpunkt mittelalterliche Kunstgeschichte studiert hat, kennt das Haus bereits aus Studien-Tagen. 2008 war sie schon dabei, als die Ausstellung „Gold vor Schwarz“ auf der Zeche Zollverein für das spektakuläre Zusammentreffen von Kirche und Kohle sorgte. „Das war toll: Hautnah und ohne Vitrine mit den Original-Objekten zu arbeiten, die ich bis dahin nur aus der Theorie kannte. Das hat mir unseren Schatz unglaublich nahe gebracht“, sagt Wegener.
„Formal haben wir die weltweit bedeutendste Sammlung ottonisch-salischer Goldschmiedekunst“
Für die Essenerin ist das neue Amt ein „Traumjob“, der sie durchaus mit Stolz erfüllt: „Formal haben wir die weltweit bedeutendste Sammlung ottonisch-salischer Goldschmiedekunst. Das darf man sich als Essener und Ruhrgebiets-Bewohner gerne immer wieder bewusst machen.“ Wegener macht die Bedeutung des Schatzes nicht nur am Prunk der kostbaren Kreuze, Kelche und der Goldenen Madonna als älteste vollplastische Marienfigur der Welt fest. „Daneben beeindruckt mich vor allem die inhaltliche Dimension unseres Schatzes: Hier geht es nicht nur um Kunst – alles wurde zur Ehre Gottes hergestellt und erzählt uns zudem ganz viel über die Persönlichkeiten der Stifterinnen.“
„Der historische Blick über die Industriegeschichte hinaus tut Essen gut“
Wegener zweifelt nicht daran, dass diese Zeugnisse einer 1000 Jahre alten Kirchengeschichte auch künftige Generationen ansprechen werden. „Wichtig ist mir, dass wir auch in Zukunft mit unseren Ausstellungen und Führungen immer am Puls der Zeit bleiben und die mittelalterliche Geschichte von Essen und dem Ruhrgebiet immer wieder neu erzählen.“ Die erfolgreiche Playmobil-Ausstellung war für sie ein guter Anfang. „Der historische Blick über die Industriegeschichte hinaus tut Essen gut, und bei dieser Identitätsstiftung sind wir mit den Schatzkammern in Werden und am Dom gern weiter mit dabei“, sagt Wegener, die schon jede Menge Pläne hat. „Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten an der Anbetungskirche können wir im Herbst mit der Restaurierung des gotischen Holz-Kruzifixes im Atrium beginnen“, so die 38-Jährige. Und zum 70-jährigen Bestehen des Münsterbauvereins im November plant man eine Foto-Ausstellung, die Bilder der Kriegszerstörungen am Dom mit aktuellen Aufnahmen kombiniert.