Essen. . Einige Wahlkämpfer haben schon vor dem Stichtag mit der Plakatierung begonnen, auch bei Anzahl der Plakate herrscht faktisch Gutdünken der Parteien.

  • In Rüttenscheid haben Parteien schon am Freitag mit der Plakatierung begonnen – erlaubt war erst ab Samstag
  • Die Stadt hat nicht vor, solche kleinen Schummeleien zu ahnden, pocht aber darauf, dass Plakate nicht den Verkehr gefährden dürfen
  • Entgegen einer verbreiteten Meinung dürfen in Essen Wahlplakate an Bäumenangebracht werden

Ob sie wirken, ist nicht erwiesen, ob sie nutzlos sind, allerdings auch nicht. Die Parteien gehen deshalb auf Nummer sicher und bestücken in diesen Tagen, sechs Wochen vor der Bundestagswahl, wieder alle größeren Essener Straßen mit Plakaten. Beliebt ist das bei den Bürgern meistens nicht, derart wilde Werbung ist im öffentlichen Raum im Prinzip auch verboten, bei Wahlen gilt aber das Demokratie-Privileg. Allerdings pocht die Stadt darauf, dass einige Regeln eingehalten werden.

Ob sie damit immer durchdringt, ist eine andere Frage. So hat das Wahlamt allen Parteien klar und deutlich mitgeteilt, dass erst am Samstag, 12. August mit der Plakatierung begonnen werden darf. Mindestens die Grünen und die FDP haben aber Fünfe gerade sein lassen und zumindest in Rüttenscheid schon am Freitag losgelegt, was einen giftigen Streit zwischen der Interessengemeinschaft Rüttenscheid (IGR) und dem grünen Bundestagsabgeordneten Kai Gehring, auslöste.

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Sebastian Girrullis, Geschäftsführer der Essener Grünen, räumt den Verstoß ein, wirbt aber um Verständnis: „Wir sind personell nicht so gut aufgestellt wie die großen Parteien und müssen schauen, wann unsere Freiwilligen am besten Zeit haben.“ Der Verdacht, man wolle sich durch die kleine Schummelei Laternenplätze mit höherer Aufmerksamkeit sichern, weist er zurück: „Ich glaube, solche Plätze gibt es gar nicht.“ Wer als erster hänge, würde von Parteien, die später mit dem Plakatieren beginnen, hochgeschoben. So werde der vermeintliche Vorteil zum Nachteil.

„Die Grünen sind die Partei, die besonders gerne mit Verboten operiert, und hält sich hier selbst nicht an die Regeln“, spottet Essens FDP-Chef Ralf Witzel. Allerdings stand Witzel selbst schon am Freitag auf der Leiter, wie er auf Anfrage zugibt. „Es ging aber schon auf Mitternacht zu“, beteuert er. Die Grünen hingegen hätten schon nachmittags plakatiert. Ein reines Gewissen hat Yvonne Hartig, Geschäftsführerin der SPD. „Alle Ortsvereine wussten bescheid.“ Angeblich waren trotzdem im Norden auch Sozialdemokraten vor der Zeit aktiv, heißt es im Netzwerke Facebook.

Beim Wahlamt räumt man ein, dass solche kleinen Verstöße praktisch nicht zu ahnden sind. Ein anderes Beispiel: Eigentlich soll der jeder Partei zugestandene Plakatraum prozentual dem Ergebnis der vorangegangenen Wahl entsprechen. Aber schon die Plakate-Flut, die manche 0,1-Prozent-Partei auf die Straße bringt, zeigt, dass dies niemand einhält. „Wir haben gar nicht die Möglichkeit im Detail Plakate zu zählen“, sagt Wahlamtsleiter Rüdiger Lohse.

Sehr viel genauer schaut die Stadt hin, wenn Plakate verkehrsgefährdend angebracht sind oder verbotenerweise an Ampeln oder Verkehrsschildern hängen. „Da schreiten wir sehr schnell ein.“ Die Parteien haben aber selbst kein Interesse, negativ aufzufallen. Nicht auszudenken, wenn ein womöglich grün wählender Radler durch ein zu niedrig gehängtes FDP-Plakat zu Fall käme. Der Skandals wäre groß. Wegen der Unfallgefahr sind übrigens auch die Fußgängerzonen der Innenstadt tabu.

Erlaubt ist den Wahlkämpfern aber die Nutzung jeder Laterne im Straßenraum, und was viele nicht wissen: Auch Plakate an Bäumen werden toleriert. „Wenn der Baum durch unsachgemäßes Anbringen Schaden nimmt, muss allerdings eine unter Umständen nötige Sanierung bezahlt werden“, warnt Lohse. Passiert ist das aber wohl noch nicht.