Essen. . Für die Studio-Bühne steht nach jahrelangem Kampf um den Erhalt in der kommenden Spielzeit die Sanierung an. Im März 2018 soll es losgehen.
Sechs Jahre hat der Kampf um die Sanierung der Studio-Bühne gedauert. Im September 2016 erfolgte der Baubeginnbeschluss zur Erleichterung aller, dann wieder eine Zitterpartie mit einer Machbarkeitsstudie der Essener Grundstücksverwaltung über das Ausmaß der Bauarbeiten. Nun soll die Sanierung etwas über das Nötigste hinausgehen. Der Sanierungsbedarf zeigt sich mittlerweile an allen Ecken des ehemaligen Schulgebäudes. „Schimmelflecken, abfallende Kacheln. Es ist, als ob das Haus weiß, dass es bald losgehen soll“, sagt Geschäftsführer Michael Steinhorst.
Der öffentlich zugängliche Raum steht im Fokus der Baumaßnahme: Das reicht von der Fassade über Fenster, Versorgungsleitungen, Aufgänge, feuchte Stellen im Keller, sanitäre Anlagen, Bodenbelägen und Brandschutztechnik bis hin zu einem barrierefreien Zugang und beabsichtigten Behindertentoiletten. „880 000 Euro soll das kosten. Auch Landesmittel sollen dafür generiert werden“, erklärt die künstlerische Leiterin Kerstin Plewa-Brodam. Schließlich bieten die rund 100 Mitglieder nicht nur ambitioniertes Amateurtheater und damit gute Unterhaltung, sondern verbinden Alt und Jung im Stadtteil, Theater und Schulen und in Auslandskontakten Essen mit der Welt.
„Der besondere Charakter wird erhalten bleiben, das ist unser Markenzeichen“
Dennoch sprechen beide zumeist im Konjunktiv: „Im März soll das Haus geräumt werden.“ „Im März sollen die Bauarbeiten beginnen.“ „Wir erwarten, dass wir im Herbst wiedereröffnen können.“ Das vorsichtige Formulieren hat seinen Grund. Von Abriss bis Generalsanierung waren in der Vergangenheit verschiedene Varianten im Gespräch. Auch dank des städtischen Sonderprogramms von jährlich 500 000 Euro für investive Maßnahmen im Kulturbereich rückt die Renovierung nun näher. Wobei der alte Charme des Hauses mit seinen Korktapeten an der Wand und dem Tarnnetz unter der Pausenraum-Decke nicht gänzlich ausradiert werden soll. „Der besondere Charakter wird erhalten bleiben, das ist unser Markenzeichen“, verspricht Steinhorst. „In einer weißen Kiste würden wir uns nicht wohl fühlen.“ Verändern wird sich trotzdem einiges. Manche Räume werden höher und heller, handwerkliche Flickschusterei verschwindet. Steinhorst nennt das „ein Zukunftssignal an junge Mitglieder“, die die Studio-Bühne weiter binden will.
Ein ungetrübter Zweckoptimismus und eine riesengroße Spielfreude lässt sie deshalb auch in der obdachlosen Zeit weitermachen. „Wir wollen nicht monatelang in der Versenkung verschwinden, sondern in der Stadt präsent bleiben und auf Tour gehen“, erklärt Michael Steinhorst. Leichter gesagt als getan. Kisten müssen noch gepackt werden, Requisiten in einer alten Sanitärfirma in Kupferdreh untergebracht werden, Probenräume gesucht, Auftrittsorte gefunden werden. „Die Solidaritätsbekundungen von anderen Theatern sind groß. Jetzt müssen wir Verbindlichkeiten schaffen.“ Gar nicht so einfach bei den diversen Ungewissheiten und der Gewissheit, dass sie ihr Stammpublikum nicht komplett mitnehmen können. Und doch birgt die schwierige Situation eine Chance, so Steinhorst. „Wir können dadurch auch neue Zuschauer gewinnen.“
Krayer Theater spielt „Konfusionen“ zum Saisonstart und kooperiert mit dem Aalto
Eine pralle Theatersaison hat die Studio-Bühne in Kray hinter sich - trotz aller Unsicherheiten, wann es denn nun mit der Sanierung losgeht, wie groß der Umfang der Bauarbeiten sein wird und an welchen Orten das freie Theater bis zur Wiedereröffnung unterkommt. Der Rückhalt des Publikums ist ungebrochen und lässt sich gut an 88,3 Prozent Auslastung ablesen. War bisher „Fröhliche Weihnachten, Mr. Scrooge“ der Hit des Theaters, könnte bald eine neue Produktion die Zuschauergunst gewinnen.
Sechs Monate soll die verkürzte Spielzeit (September bis März) dauern und drei Premieren bieten. Zu Beginn gibt es Alan Ayckbourns „Konfusionen“ aus dem Jahr 1974, das krasse Fehlschläge der Kommunikation in vier statt fünf Einaktern mit anarchischem Humor zelebriert. Das Spektrum reicht vom Mutterfimmel bis zum desaströsen Dorffest. Ein Fest zunächst für die Schauspieler, die in 17 Rollen glänzen dürfen. Allein drei für den Geschäftsführer der Studio-Bühne, Michael Steinhorst, der unter anderem als Pfadfinderanführer zu sehen ist. „Es ist ein großer Spaß“, meint Michael Steinhorst. „Und am Ende liegt alles in Schutt und Asche.“ Nicht anders sieht es in Bertolt Brechts „Die Kleinbürgerhochzeit“ von 1919 aus. Während einer Hochzeit, die ja stets der schönste Tag des Lebens sein soll, wird eine Kleinbürgeridylle nebst Mobiliar komödiantisch zerlegt. „Das wurde übrigens extra dafür gebaut“, erklärt Steinhorst.
Und es kommt noch ein Musiktheaterprojekt im Herbst heraus, für das künstlerische Profis und „Experten des Alltags“ den ganzen Sommer über proben und das alle von der Studio-Bühne mit Stolz erfüllt. In erstmaliger Zusammenarbeit mit dem Aalto-Theater entsteht „Auftrag Abwicklung Sonnenaufgang“. Diese Verquickung von Heiner Müllers „Auftrag“, George Packers „Abwicklung“ sowie der Musik von Georg Kreisler, Gustav Mahler oder Wolfgang Rihm geht man Fragen über aufkeimendem Rassismus, Klassenproblemen und fehlendem revolutionärem Potenzial nach. Eine düstere Anti-Utopie wird es dennoch nicht werden, meint Projektkoordinatorin Kerstin Plewa-Brodam von der Studio-Bühne. „Utopien stecken da auch drin.“