Essen. Im Streit mit Thyssen-Krupp um das Beitz-Grundstück packt die Stadt Essen das Problem an der falschen Stelle an. Es braucht mehr Bauland.

So eine Sozialquote beim Wohnungsbau klingt in vielen Ohren erst mal gut: Wir treten geldgierigen Investoren auf die Füße, tun was für die Durchmischung der Stadtquartiere und sorgen dafür, dass sich auch Durchschnittsverdiener anständige Wohnungen in guter Lage leisten können. Gerade Städte mit extrem hohen Grundstückskosten und einem entsprechend hohen Miet- und Kaufpreis-Niveau wie München oder Frankfurt haben Sozialquoten im Ortsrecht fest verankert, weil sie fest darauf setzen können, dass Investoren trotzdem bauen – es rechnet sich eben dennoch.

In Essen gehen die Uhren ein wenig anders. Sicher gibt es auch bei uns teure Wohnlagen, aber in der Breite ist das Niveau so relativ niedrig, dass nur Wohnungsbaugesellschaften wie der städtische Allbau aktiv werden – und auch die oft nur zögerlich, weil sie das eingesetzte Kapital ja ebenfalls irgendwie refinanzieren müssen. Die CDU hat deshalb Ende 2016 zu Recht eine starre, für alle Bauvorhaben geltende Quote in Essen verhindert. Zu groß war die Sorge, dass Investoren dann im Zweifel einen Bogen um die Stadt machen, was fatal wäre.

Bauen nur da, wo schon mal etwas stand - das ist zu wenig

Erlaubt ist der Stadtverwaltung aber, von Fall zu Fall eine Sozialquote anzuordnen. Und auf dem riesigen Grundstück der alten Beitz-Villa – einer absoluten Top-Lage – glaubt man nun eben, einem Investor die Daumenschrauben risikofrei anlegen zu können. Es mag sogar sein, dass Thyssen-Krupp am Ende in den sauren Apfel beißt und die Quote akzeptiert, um überhaupt bauen zu dürfen. Dennoch hinterlässt das Vorgehen einen faden Beigeschmack. Essen braucht keine zeitraubenden juristischen Kleinkriege, sondern Wohnungen in jeder Preisklasse, auch und gerade im gehobenen Segment; und das nicht irgendwann, sondern jetzt.

Die beste Rückversicherung gegen Wohnungsmangel und hohe Mieten ist nicht die Quote – das ist nur eine Krücke. Entscheidend sind genügend bebaubare Grundstücke in guten Lagen, und da hat Essen seit Jahrzehnten enormen Nachholbedarf. Größere Wohnbauprojekte sind schon lange nur noch da möglich, wo bereits vorher etwas stand. Das kann ein Zementwerk oder eine Kaserne sein (Kupferdreh), eine alte Tuchfabrik (Kettwig) oder eben ein großer Bungalow wie der von Berthold Beitz in Bredeney.

Faktisch bestimmen also die Altvorderen, wo wir heute bauen dürfen, was absurd ist. Man wünscht sich von Politik und Verwaltung endlich mehr Mut, gänzlich neue Wohngebiete zu erschließen, selbst wenn dies in der Nachbarschaft niemals jedem gefallen und vielleicht mal ein Feld dafür geopfert wird. Essen ist mittlerweile grün genug.

Als die Flüchtlingskrise im Herbst 2015 zu schnellem Handeln zwang, war ja auch plötzlich manches an Grundstücksentwicklungen möglich, was zuvor undenkbar schien. Warum geht das eigentlich nicht planvoller und ohne Druck von außen?