Essen. . Bernd Hellenkamp hat seine Frau beim Sterben begleitet. Er musste ihr versprechen, nicht alleine zu bleiben – und fand eine neue Partnerin.

Wir beginnen unsere Serie mit einer Geschichte über Liebe bis in den Tod, über die Nähe von Glück und Leid. Eine Geschichte, wie sie nur das Leben schreiben kann. Der Frintroper Bernd Hellenkamp hat sie erlebt, und wenn er darüber spricht, dann lässt er seinen Gefühlen freien Lauf. 28 Jahre lang stand ihm seine Frau Eva zur Seite, war Freundin, Gefährtin, Geliebte. „Sie hat mich wie kein anderer Mensch verstanden und an der langen Leine laufen lassen“, sagt der 76-Jährige und fügt hinzu: „Ich habe alles an ihr geliebt.“

Doch dann kam vor fünf Jahren aus dem Nichts heraus die Diagnose Krebs. Plötzlich zählte jeder Tag, jede Minute, jede Sekunde. Alle Zukunftspläne wurden hinfällig, „denn wir beide wussten sofort: Das ist ein Todesurteil“.

Bernd Hellenkamp begleitete seine Frau bis zuletzt

„Eva kannte mich zu gut und wusste, dass ich jemanden an meiner Seite brauche“, sagt Bernd Hellenkamp.
„Eva kannte mich zu gut und wusste, dass ich jemanden an meiner Seite brauche“, sagt Bernd Hellenkamp. © Knut Vahlensieck

15 Monate lang nahm Bernd Hellenkamp Abschied von seiner Frau und begleitete sie bis zuletzt. „Das war bei aller Schwere ein großes Glück“, sagt er rückblickend, „und ein Glück war es auch, dass meine Frau zu Hause sterben durfte“.

Sie nutzten die verbleibende Zeit, um nochmal über ihre Gefühle zu sprechen, in alten Fotoalben zu blättern und so ihr gemeinsames Leben Revue passieren zu lassen. Dabei nahm ihm seine Frau auch das Versprechen ab, dass er nach ihrem Tod nicht alleine bleibt. „Eva kannte mich zu gut und wusste, dass ich jemanden an meiner Seite brauche.“

Die neue Liebe fand er schneller als erwartet

Und so machte er sich trotz seiner Trauer und seines Schmerzes auf die Suche nach einer neuen Partnerin, nach jemanden, der ihn in den Arm nimmt, der ihn versteht und dem er vertrauen kann. „Liebe ist da ein großes Wort. Für mich zählt mehr Zuverlässigkeit, gleiche Interessen und gleicher Humor“, sagt er.

Die neue Liebe fand er schneller als erwartet – nach nur vier Monaten. Und zwar durch eine heute eher altmodisch anmutende Kontaktanzeige. In der Zeitung unter der Rubrik „Sie sucht ihn“.

Da stand so was wie „jung gebliebene Witwe sucht sympathischen Mann für gemeinsame Aktivitäten. Wandere, reise und tanze gerne“. „Das hat mich irgendwie angesprochen und ich habe sofort mit einem netten Brief geantwortet“, erzählt Bernd Hellenkamp.

„Auch jenseits der 70 kann man sich noch verlieben“

Geschrieben und aufgegeben hat die Anzeige Irmela Roitzheim. Die lebhafte 74-Jährige ist seit 13 Jahren Witwe, hat ihren geliebten Mann am 40. Hochzeitstag durch einen Infarkt verloren.

„Junge Leute glauben es nicht, aber auch jenseits der 70 kann man sich noch verlieben.“
„Junge Leute glauben es nicht, aber auch jenseits der 70 kann man sich noch verlieben.“ © Knut Vahlensieck

„Bernds Brief ist mir sofort ins Auge gestochen“, erinnert sie sich. Und bereits beim ersten Treffen zum Zollvereinfest wusste sie: Das ist er.

„Junge Leute glauben es nicht, aber auch jenseits der 70 kann man sich noch verlieben“, sagt sie und schaut ihrem Bernd tief in die Augen. Der hatte am Anfang noch Bedenken – nicht wegen Irmela, sondern weil er sich unsicher war, wie seine Tochter reagieren würde. „Gott sei Dank hat sie es verstanden und sofort akzeptiert.“

Etwas irritiert reagierte der große Freundeskreis auf die neue Beziehung so kurz nach dem Tod seiner Frau. „Ich habe ihnen erklärt, dass mein Herz schließlich vier Kammern hat. Eine ist für immer für meine verstorbene Frau reserviert.“

Toleranz und gegenseitiges Verständnis

Mittlerweile sind Bernd Hellenkamp und Irmela Roitzheim seit vier Jahren ein Paar. Meist treffen sie sich am Wochenende, gehen tanzen oder machen lange Spaziergänge. So oft es geht, verreisen sie. Zusammenleben möchten sie aber nicht. Dafür ist ihnen ihre Unabhängigkeit zu wichtig. Ihr Zusammensein ist geprägt von Toleranz und gegenseitigem Verständnis.

„Wir dürfen über alles sprechen“, sagt Irmela Roitzheim. Auch und gerade über den Verlust des geliebten Ehepartners. Und zwar ohne Eifersuchtsgefühle. „Das macht vielleicht auch den Unterschied zur ersten Liebe aus: Die will alles und zwar sofort und ohne Wenn und Aber“, erklärt die vierfache Großmutter, „doch wir beide haben ja schon eine lange Lebensgeschichte. Und wollen auch nur mit unserer Geschichte akzeptiert werden. Denn die gehört zu uns.“

„Wir haben uns fest vorgenommen, jeden Augenblick zu genießen“

Irmela Roitzenheim und Bernd Hellenkamp wünschen sich für die Zukunft nur eines:
Irmela Roitzenheim und Bernd Hellenkamp wünschen sich für die Zukunft nur eines: © Knut Vahlensieck

Für die Zukunft wünscht sich das Paar nur eines: gemeinsam alt zu werden. Wenn das irgendwann nicht mehr in den eigenen vier Wänden möglich ist, dann gemeinsam in einer Senioreneinrichtung.

Doch erstmal steht Urlaub vor der Tür: „Erst im Sauerland, im September eine Mittelmeerkreuzfahrt, im Oktober nach Ibiza und Weihnachten sind wir auf Fuerteventura“, zählt Hellenkamp auf, „wir haben uns fest vorgenommen, jeden Augenblick zu genießen.“

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