Essen. . Der Rat der Stadt Essen hat das seit Jahren heiß diskutierte Verkehrskonzept für Essen-Werden bewilligt. Das Konzept kennt Gewinner und Verlierer

  • Der Rat der Stadt Essen hat das umstrittene Werdener Verkehrskonzept bewilligt.
  • Die Stadt Essen investiert sieben Millionen Euro – davon zwei Millionen in Lärmschutz
  • Vor allem die Anwohner der Abteistraße gelten als Verlierer des Verkehrskonzepts

Gefühlt wurde seit der Erfindung des Otto-Motors über eine Verkehrsentlastung des Werdener Ortskerns diskutiert, ohne dass sich etwas zum Besseren bewegt hätte. Nun hat der Rat der Stadt ein „Verkehrskonzept“ auf den Weg gebracht. Eines, das bei Befürwortern im Rat keine Jubelstürme auslöste und das bei Kritikern höchst umstritten bleibt.

Fast sieben Millionen Euro wird die Stadt investieren, in der Erwartung, dass der Verkehr leichter ins Rollen kommt und die Schadstoffwerte sinken. Denn die Bezirksregierung sitzt der Stadt im Nacken – als verlängerter Arm der EU, welche Deutschland wegen anhaltender Überschreitung der Grenzwerte – auch in Essen – mit einem Strafverfahren überzieht.

Bund der Steuerzahler kritisiert Konzept

Sieben Millionen Euro, das ist viel Geld. Zuviel, findet der Bund der Steuerzahler, der sich unmittelbar vor der Abstimmung im Rat zu Wort meldete, was nicht jeden Tag vorkommt. Die Steuerwächter warnen „für ein unbefriedigendes Verkehrskonzept“ Millionen auszugeben.

Hans-Lothar Kranz, Werdener Urgestein, mehr als drei Jahrzehnte Bezirksbürgermeister und heute sachkundiger Bürger der CDU-Fraktion im Bauausschuss, formuliert es drastischer: „Das ist ein Millionengrab für die Stadt Essen.“

Im Bauausschuss stimmte Kranz als einziger seiner Fraktion gegen das Konzept, während im Essener Norden, wo die Verkehrsbelastung nicht geringer ist, mancher neidisch gen Süden schielte.

Hat der Mann Recht?

Werdener Bürger verursachen Verkehrsprobleme

Fakt ist: Die Stadt hat sich von ihrem selbstgesteckten Ziel verabschiedet, den Verkehr in Werden um 25 Prozent zu senken. Formuliert worden war es 2011 per Ratsbeschluss als Kompensation für die Erschließung eines Neubaugebietes an der Grünen Harfe im nahen Heidhausen. Verkehrsuntersuchungen brachten dann allerdings zu Tage, was so kaum jemand erwartet hatte: Es ist nicht der Durchgangsverkehr, der die B 224 im Werdener Ortskern regelmäßig verstopft, es ist der so genannte Quell- und Zielverkehr. Oder wie es die städtische Bauverwaltung schon 2012 formulierte: „Die Verkehrsprobleme gehen zu einem überwiegenden Teil von Werdener Bürgern selbst aus.“

Dem trägt das vom Werdener Planer Michael Happe erdachte Verkehrskonzept Rechnung. Sein Ansatz: Die Brückstraße, heute im unteren Teil aufgrund der engen Bebauung der „Hotspot“ in puncto Schadstoffbelastung, wird verkehrsberuhigt und dient Autofahrern künftig allein der Erschließung der Werdener Altstadt. Die Einbahnstraßenregelung wird dafür umgedreht, die Umfahrung des Werdener Marktes, entfällt und damit auch der tägliche Rückstau. Wer am Ludgerusbrunnen künftig sein Eis genießen will, wird nicht mehr vom Verkehr umbraust.

Der wird im wesentlichen auf die Abteistraße verlagert. Wo es heute nur in Richtung Basilika geht, gibt es in Zukunft Gegenverkehr, erst einspurig, dann zweispurig. Auch auf einigen Seitenstraßen wird die Verkehrsführung geändert, was nicht überall auf Begeisterung stößt. Dennoch: „Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Konzept erhebliche Vorteile bringt“, sagt Happe.

Busse der Evag, die in die Quartiere fahren, sollen das Konzept ergänzen, und die Werdener zum Umsteigen einladen.

Lärmschutz für 94 Häuser

Neben Gewinnern gibt es auch Verlierer. Da wären die Anwohner und Geschäftsleute an der Abteistraße. Um sie vor Lärm zu schützen, wird auf der Fahrbahn so genannter Flüsterasphalt verlegt. In 94 Häusern haben die Bewohner Berechnungen der Stadt zufolge Anspruch auf Schallschutzfenster. Zwei Millionen der fast sieben Millionen Euro, die für die Umsetzung des Verkehrskonzeptes ausgegeben werden sollen, entfallen allein auf Lärmschutzmaßnahmen.

Bliebe die Belastung durch Schadstoffe, allen voran durch Stickoxide, welche in vielen Städten Anlass geben, über Fahrverbote nachzudenken. Obwohl der Verkehr auf der Abteistraße deutlich zunimmt, werden die Grenzwerte nach Berechnung der Stadt eingehalten, ausgenommen in Höhe eines Hauses am Werdener Markt, Die Verwaltung erklärt dies damit, dass die Abteistraße deutlich breiter ist und folglich besser durchlüftet werde als die schmale Brückstraße.

Kritiker wie die Interessengemeinschaft „B 224 Werden“ zweifeln die Berechnungen an und verweisen darauf, dass die Grenzwerte bereits überschritten würden. Tatsächlich basiert die Prognose der Stadt auch auf der Annahme, dass die Autoindustrie durch modernere Fahrzeugtechnik ihren Beitrag leisten wird. Oder wie es ein Experte aus dem Umweltamt in Anspielung auf den Dieselskandal drastisch formuliert, auf der Erwartung, „dass wir nicht wieder verarscht werden“.