Essen. . Die Fusion von Evag und MVG birgt nach Ansicht von Ex-Evag-Chef Wolfgang Meyer hohe Risiken für die Stadt Essen. Fahrgäste hätten nichts davon.

  • Ex-Evag-Chef Wolfgang Meyer formuliert Fragenkatalog zur Fusion von Evag und MVG: ein Brandbrief
  • Meyer bezweifelt, dass Fusion den Nahverkehr effizienter und günstiger macht, sieht mehr Risiken
  • Kritik an Vergabepraxis, Laufzeit und Regelung zur Altersversorgung von Mitarbeitern

Am morgigen Freitag wollen Oberbürgermeister Thomas Kufen und sein Mülheimer Amtskollege Ulrich Scholten mit ihrer Unterschrift die Fusion im öffentlichen Nahverkehr besiegeln. Kaum 48 Stunden vorher erreichte den OB am Mittwoch ein Schreiben, das als Brandbrief verstanden werden darf und das die Sinnhaftigkeit der geplanten Fusion in Frage stellt. Tenor: Ein Verschmelzen der Essener Verkehrs-AG (Evag) mit der Mülheimer Verkehrsgesellschaft (MVG) zur gemeinsamen „Ruhrbahn“ berge erhebliche Risiken für die Stadt Essen in sich und könne nicht in ihrem Interesse sein.

„Verbesserungen für Fahrgäste sind nicht zu erwarten“

Der Autor des fünfseitigen Schreibens ist kein Unbekannter: Es handelt sich um den ehemaligen Evag-Vorstand Wolfgang Meyer, heute als Inhaber einer Beratungs- und Beteiligungsgesellschaft bundesweit und darüber hinaus in Sachen ÖPNV unterwegs.

Meyer listet in seinem Brief mehr als 20 Fragen auf und beantwortet sie zwischen den Zeilen selbst. Das Fazit sei vorweggenommen: Die Fusion der Betriebe sei nicht geeignet, Qualität und Effektivität im Nahverkehr zu verbessern. „Schon gar nicht sind Verbesserungen für die Fahrgäste zu erwarten.“ Letztlich gehe es darum, alte Strukturen aufrechtzuerhalten, kritisiert der 62-Jährige und fragt rhetorisch: „Warum sollen sich die bisherigen Amtsinhaber auch abschaffen.“

Der Ex-Evag-Vorstand vermisst nicht nur wirtschaftlicher Anreize für eine Fusion. Meyer wundert sich darüber, dass die Mülheimer MVG einen Anteil von 25 Prozent an der neuen, gemeinsamen Nahverkehrsgesellschaft erhält, in diese aber auch ihre Schulden einbringt. „Wurde ein Wertgutachten erstellt?“, fragt Meyer. Sein Eindruck: Die 25 Prozent sind ein politischer Preis, den letztlich die Evag und damit die Stadt Essen zahlt

Meyer stellt ferner in Zweifel, dass die beabsichtigte Direktvergabe von Verkehrsdienstleistungen einer rechtlichen Überprüfung standhält und wundert sich über die vereinbarte Laufzeit des Vertrages von 22,5 Jahren. Konzessionen im Busverkehr liefen nach acht Jahren aus. Jeder Busunternehmer könne eine Konzession beantragen. Es sei kein Automatismus, dass die Ruhrbahn, den Zuschlag erhalte, betont Meyer und verweist auf die Deutsche Bahn, die andernorts gerichtlich gegen Direktvergaben vorgehe und sich den Zugang zum Markt erstreite.

Essen übernimmt Bürgerschaft für Altersversorgung

Die Liste der Kritikpunkte lässt sich fortsetzen. Sie reicht von möglichen Risiken des Cross-Border-Leasing-Geschäft der Evag mit US-Investoren aus den frühen 2000er Jahren; die Stadt stützt sich dabei lediglich, auf die „Ansicht der beratenden Anwälte“, der eigenen wohlgemerkt, wie Meyer spitz anmerkt. Und seine Verwunderung endet nicht bei der Altersregelung für Mitarbeiter. Hintergrund: Beschäftigte der Evag sind über die Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen abgesichert, die der MVG über die Rheinische Zusatzversorgungskasse. Dieser soll auch die Ruhrbahn beitreten. Die Versorgungskasse verlangt allerdings eine Bürgerschaft in Höhe von 53,55 Millionen Euro als Sicherheit. Die Stadt Essen soll 26,8 Millionen Euro übernehmen, zur Absicherung von Versorgungsansprüchen wohlgemerkt, die in Mülheim erworben wurden. Den Arbeitnehmervertretern gesteht Meyer zu, gut verhandelt zu haben.

Sein gleichlautendes Schreiben ist der Evag und den Aufsichtsräten zugegangen.

Befragt nach seiner Motivation antwortet Meyer: „Ich bin Essener Bürger.“