Essen. . Ermittler sehen Anfangsverdacht im Streit um Transplantationen. Sie überprüfen, ob es „strafbewehrten Verstoß gegen Dokumentationspflichten“ gab.
- Prüfbericht hatte im Lebertransplantationsprogramm der Uniklinik Verstöße kritisiert
- Uniklinik Essen hatte sich mit einer Gegenvorstellung samt Rechtsgutachten gewehrt
- Staatsanwaltschaft Essen überprüft jetzt, ob es einen „strafbewehrten Verstoß gegen Dokumentationspflichten“ gab
Nachdem ein Prüfbericht im Lebertransplantationsprogramm der Uniklinik Essen Richtlinien- und Rechtsverstöße kritisiert hatte, schaltet sich jetzt die Staatsanwaltschaft Essen ein. „Wir haben uns entschlossen, Ermittlungen aufzunehmen“, sagte am Montag Oberstaatsanwältin Anette Milk auf Anfrage. Die Ermittler sehen einen Anfangsverdacht und wollen überprüfen, ob es einen „strafbewehrten Verstoß gegen Dokumentationspflichten“ gegeben hat. Ermittelt wird laut Staatsanwaltschaft gegen Prof. Andreas Paul als zuständigen Leiter des Programms.
Ermittler sehen einen Anfangsverdacht
Eine Prüfungs- und Überwachungskommission, die im Auftrag von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen regelmäßig die Transplantationszentren besucht und überprüft, hatte in Essen für die Zeit von 2012 bis 2015 diverse Verstöße moniert, 33 Fälle in einem Bericht dokumentiert und diese Verstöße als „systematisch“ und „willentlich“ eingestuft.
„Dokumentationspflichten nicht hinreichend beachtet“
Die Uniklinik Essen wehrte sich mit einer umfangreichen Gegenvorstellung samt Rechtsgutachten und betonte, dass in keinem Fall nachgewiesen worden sei, dass ein Empfänger ein Organ zu Unrecht erhalten habe. Daneben räumte die Uniklinik ein, bis Mai 2016 entsprechende Dokumentationspflichten nicht hinreichend beachtet zu haben. Das sei aber behoben worden.
Ermittler des Sonderdezernats im Einsatz
In diesem Punkt setzen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Essen an. Die Ermittler des Sonderdezernats, das sich um Straftaten in Zusammenhang mit dem Transplantationsgesetz kümmert, haben in der letzten Woche die umfangreichen Unterlagen durchgearbeitet. Sie beziehen sich in ihren Ermittlungen auf Paragraf 19 des Transplantationsgesetzes, der auf Paragraf 10 verweist.
Mit dem wird überprüft, ob der Gesundheitszustand eines Patienten „unrichtig erhoben“, „unrichtig dokumentiert“ oder ein „unrichtiger Gesundheitszustand übermittelt wurde“. Bei einem Verstoß gegen Paragraf 19 ist im Gesetz eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vorgesehen, sofern absichtliches Fehlverhalten nachgewiesen wird. Über das weitere Vorgehen wollte die Staatsanwaltschaft am Montag aus ermittlungstaktischen Gründen keine Angaben machen.
Am Ende der Ermittlungen, die mehrere Monate dauern können, steht entweder die Erhebung der Anklage, sofern sich der Anfangsverdacht erhärten sollte, oder die Einstellung des Verfahrens.
Die Bundesärztekammer, die die Prüfungs- und Überwachungskommission federführend beauftragt, und das NRW-Gesundheitsministerium als zuständige Behörde für das Lebertransplantationsprogramm hatten bislang betont, vor eigenen Schritten die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Essen abwarten zu wollen.