Essen. Rund 1300 Bürger sind in Essen als „verpartnert“ registriert, darunter der OB. Sie alle können nun bald nachträglich die Ehe schließen.
- Ehe für alle könnte Standesämtern Mehrarbeit bescheren, da die bisherigen eingetragenen Partnerschaften umgeschrieben werden können
- Wegen der vergleichsweise geringen Zahl werden in Essen aber keine Schwierigkeiten erwartet
- Unter den rund 650 in Essen registrierten Partnerschaften ist auch die von Oberbürgermeister Thomas Kufen
Das Essener Standesamt sieht sich gut gerüstet, sollte es im Zuge der gestern vom Bundestag beschlossenen „Ehe für alle“ zu einem Ansturm von gleichgeschlechtlichen Paaren kommen, die ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln lassen wollen. Laut Statistik haben sich von 2001 bis Ende 2016 genau 1294 schwule oder lesbische Bürger für dieses Bekenntnis zueinander entschieden. Lokal prominentester „verpartnerter“ Essener ist vermutlich Oberbürgermeister Thomas Kufen, der kurz nach seiner Wahl im September 2015 mit seinem langjährigen Lebensgefährten den Weg zum Standesamt ging.
All diese Paare sind nun bald berechtigt, ihre eingetragene Partnerschaft in eine „normale“ Ehe umschreiben zu lassen, sofern sie das wollen. Das Prozedere wird im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens ausgearbeitet, wird aber voraussichtlich unbürokratisch gehandhabt. „Wenn Paare wert legen auf eine ganz neue Zeremonie, wird das voraussichtlich auch möglich sein“, sagt Stadtsprecherin Jasmin Trilling.
Pro Jahr werden in Essen rund 2500 Ehen geschlossen
Wieviele dies in Anspruch nehmen, sei natürlich noch lange nicht absehbar, ein spürbar höherer Personalaufwand sei damit aber wohl nicht verbunden. „In Essen werden derzeit im Schnitt pro Jahr 2500 Ehen geschlossen“, sagt Trilling. Die Zahl der gleichgeschlechtlichen Verpartnerungen beim Standesamt Essen bewegt sich im Vergleich im niedrigen einstelligen Prozentbereich, wenn auch zuletzt mit steigender Tendenz. Das zeige, dass diese Zahl nicht sehr in Gewicht falle und jedenfalls kein Grund sei, beim Standesamt Überlastungen zu befürchten, so die Stadt. Zwar fehle Personal für die Beurkundungen in Flüchtlingsangelegenheiten, nicht aber für die Eheschließungen.
Wer allerdings, ganz egal in welcher Konstellation, einen Hochzeitstermin haben wolle, müsse mit den üblichen altbekannten Begrenztheiten rechnen. „Am Wochenende sind die Termine sehr begehrt“, sagt Trilling. An den Wochentagen aber sei auch kurzfristig noch manches möglich, falls ein schwules oder lesbisches Paar die neue Freiheit der Eheschließung für das erstmalige Ja-Wort oder eben für eine Umschreibung nutzen wolle.
OB begrüßt Beschluss des Bundestags: „Gesellschaftliche Wirklichkeit längst eine andere“
Im Übrigen habe sich das Prozedere der Verpartnerung und der Ehe schon bislang so gut wie nicht unterschieden, selbst Trauzeugen waren, wenn gewünscht, möglich. Sobald das neue Gesetz gilt, wird die eingetragene Partnerschaft natürlich nicht mehr angeboten, die Ehe ist dann die einzige Form, Zusammenhalt vor dem Standesbeamten zu dokumentieren.
Oberbürgermeister Thomas Kufen ließ auf Anfrage offen, ob er nun nachträglich eine förmliche Eheschließung erwägt. Kufen machte aber deutlich, dass er bei jenen ist, die im Bundestag für ein Ja votiert hätten, was nicht überrascht. Die heftige Diskussion gerade auch in seiner CDU habe sich überlebt „Meine Erfahrung ist, dass die gesellschaftliche Wirklichkeit längst eine andere ist.“ Die Bürger seien viel weiter als manche Parteitagsbeschlüsse. „Deshalb ist die heutige Entscheidung für die Ehe für alle folgerichtig.“
Allerdings machte Kufen auch klar, dass er von der taktisch motivierten Hektik im Vorfeld der gestrigen Bundestagssitzung nichts hält: „Bedauerlich bleibt das überstürzte Zustandekommen des Beschlusses.“