Essen. NRW-Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner hat Politik in seiner Essener Heimat von Grund auf gelernt. Nicht immer war das für ihn erfreulich.
Auch künftig nimmt ein Essener am Kabinettstisch der Düsseldorfer Landesregierung Platz: Stephan Holthoff-Pförtner wird neuer NRW-Minister, zuständig für Bundes- und Europaangelegenheiten und für Medien. In ersten Reaktionen war verschiedentlich von einer Überraschung die Rede, doch trifft dies nur bedingt zu.
Der 68-jährige Rechtsanwalt und Miteigentümer der Funke-Mediengruppe ist in der CDU-Landespartei angesehen und aktiv und galt schon lange als ministrabel. Bereits im Jahr 2005 wurde er im Kabinett von Jürgen Rüttgers als Justizminister gehandelt, allein der in Landesregierungen stets wichtige regionale Proporz soll dies damals verhindert haben.
Ein „Essener Junge“ mit festen Wurzeln in Rellinghausen
Stephan Holthoff-Pförtner ist ein „Essener Junge“ durch und durch, ein Stadtpatriot im besten Sinne, der bei aller ihm eigenen Weltläufigkeit seiner Heimat stark verbunden blieb. Geboren ist er 1948 als Spross einer im Traditionsstadtteil Rellinghausen verwurzelten Familie, die einst in der Verwaltung des dort früher ansässigen Stiftes eine Rolle spielte.
Im 1782 erbauten, vom Urgroßvater ererbten und großzügig erweiterten Haus im alten Rellinghauser Ortskern lebt Holthoff-Pförtner noch heute. Wenn er eine bestimmte Bäckerei betritt, dann wird der längst bundesweit bekannte Rechtsanwalt und Verleger dort von der Bäckersfrau wie schon als Kind mit „Stephan“ begrüßt. „Ich sage natürlich respektvoll Frau Welp zu ihr“, erzählt Holthoff-Pförtner lachend.
Streitbarer CDU-Ratsherr in den 1980er Jahren
Früh engagierte er sich in der Essener CDU und zog 1980 in den Rat der Stadt ein. Man kann nicht sagen, dass dies konfliktfreie Jahre waren. Der streitbare und debattenfreudige Holthoff-Pförtner hatte andere Vorstellungen, wie der damals übermächtigen Essener SPD beizukommen sein würde, unterlag aber im internen Streit gegen Norbert Königshofen, dem lange Zeit starken Mann der Essener CDU.
Im Jahr 1990 verließ er den Rat, konzentrierte sich stärker auf seine größer werdende Rechtsanwaltskanzlei und die Aktivitäten als Immobilienentwickler. Dank der Adoption durch Gisela Holthoff – eine der vier Töchter des WAZ-Mitbegründers Jakob Funke – gelangte er in den Kreis der Gesellschafter der damaligen WAZ- und heutigen Funke-Mediengruppe.
Gleichgeschlechtliche Beziehung verhinderte noch 2009 eine OB-Kandidatur
Trotz seines vielfältigen unternehmerischen Engagements bliebt Holthoff-Pförtner aber ein politischer Mensch. Ausdruck dessen ist die Gründung des Politischen Forums Ruhr, das im kleinen Rahmen mit wenigen Zuhörern begann und heute zu den großen Vortrags- und Debattenplattformen der Republik zählt. Das Credo des Politischen Forums kann auch für den offenen Geist seines Gründers stehen: „Eine gute Diskussion löst nicht alle Probleme, aber sie bereitet immer eine Lösung vor.“
Noch einmal, im Jahr 2009, wollte Holthoff-Pförtner es kommunalpolitisch wissen und bewarb sich in seiner Partei für die OB-Kandidatur als Nachfolger von Wolfgang Reiniger. „Ein CDU-Landtagsabgeordneter sagte mir, dann müsse man sich mein Privatleben angucken. Das Signal hatte ich verstanden“, wurde Holthoff-Pförtner jüngst vom Medienmagazin „kress“ zitiert. Mit einem Kandidaten in eine OB-Wahl zu gehen, der in einer offen gleichgeschlechtlichen Beziehung lebt – dafür war die Zeit in der Essener CDU vor acht Jahren noch nicht reif.
Bei der Ablehnung dürfte aber auch eine Rolle gespielt haben, dass Holthoff-Pförtner nie dem Typus des Parteisoldaten entsprach und dies ungern verbarg. Individualisten haben es in Volksparteien nicht leicht. CDU-Kandidat wurde jedenfalls ein anderer, die Wahl gewann die SPD.
Aus dem Anwalt des Altkanzlers wurde Kohls persönlicher Freund
Stephan Holthoff-Pförtner hatte sich zu diesem Zeitpunkt längst einen Namen gemacht als Anwalt Helmut Kohls, das juristische Mandat mündete schließlich sogar in einer persönlichen Freundschaft zum Altkanzler und seiner zweiten Frau. Auch das nicht unkomplizierte Ordnen des Nachlasses des jüngst Verstorbenen gehört zu seinen Aufgaben.
Und nun noch ein zeitintensives Regierungsamt, für das er die verlegerischen und unternehmerischen Aktivitäten ruhen lassen wird. Man darf gespannt sein, wie der spätberufene Berufspolitiker diese Aufgabe bewältigt.