Essen. . Gerd Böckmann erhielt 2015 in der Uniklinik eine Leber transplantiert. Eingriff fällt in die Zeit, in der ein Bericht dort Verstöße auflistet.
- Gerd Böckmann erhielt im Mai 2015 in der Uniklinik Essen eine Leber transplantiert
- Sein Eingriff fällt genau in die Zeit, in der ein Bericht dort massive Verstöße auflistet
- Böckmann: „Ich habe innig gehofft, mich selbst nicht auf dieser Liste zu finden“
Bei der Pressekonferenz der Uniklinik Essen am Dienstag zum „Lebertransplantationsprogramm“ saß Gerd Böckmann unter den vielen Journalisten. Der 57-jährige Kamener ist nicht nur im Vorstand des Verbands „Lebertransplantierte Deutschland“, er ist auch Betroffener: Der Vater von drei Kindern hat eine Spenderleber erhalten, ohne die er nicht mehr leben würde. Gerd Böckmann wurde das Organ im Mai 2015 in Essen transplantiert — genau in dem Zeitraum, in dem eine Prüf-Kommission an der Uniklinik Richtlinien-Verstöße im Lebertransplantationsprogramm aufgelistet hatte. Redakteur Thorsten Schabelon sprach mit Gerd Böckmann.
Herr Böckmann, wann haben Sie von den Vorwürfen gegen das Uniklinikum erstmals erfahren?
Gerd Böckmann: Am vergangenen Wochenende. Aus der Zeitung. Ich habe mir dann im Internet den 20-seitigen Bericht der Kommission und den 177-seitigen Gegenbericht der Uniklinik heruntergeladen.
Was war Ihr erster Gedanke? Sie haben in dem Untersuchungszeitraum der Kommission Ihre lebensrettende Leber in Essen erhalten. In dem Bericht sind, anonymisiert, 33 Fälle aufgelistet, in denen die Kommission Verstöße sieht.
(überlegt lange) Ich habe innig gehofft, mich selbst nicht auf dieser Liste zu finden.
Haben Sie sich gefunden?
Nein. (atmet tief durch). Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen. Ich finde es grundsätzlich nicht in Ordnung, dass sich Betroffene dort finden können. Die Fälle sind zwar anonymisiert. Ich denke aber, dass man sich findet. Wir Lebertransplantierte sind ja nicht so viele.
Wie beurteilen Sie die massiven Vorwürfe im Bericht und die offensiv vorgetragenen Erklärungen der Uniklinik?
Vorab: Ich habe eine persönliche Sympathie für das Uniklinikum, weil ich dort transplantiert wurde. Ohne meine neue Leber würde ich heute nicht mehr leben. Ich habe mich in Essen immer sehr gut behandelt gefühlt, und ich habe auch nichts von dem mitbekommen, was in dem Bericht aufgelistet ist.
Ich kann und will das als Laie nicht fachlich beurteilen, ich kann aber zumindest viele Argumente der Uniklinik nachvollziehen. Ich habe nicht den Eindruck, dass in der Sache irgendwas unter den Tisch gekehrt wird. Ich glaube, und das haben die Berichte und Erklärungen gezeigt, dass es viele Unschärfen und Unklarheiten gibt. Die müssen unbedingt ausgeräumt werden. Das ist ganz wichtig.
Wie haben Sie den Schlagabtausch zwischen der Kommission und der Bundesärztekammer auf der einen Seite und der Uniklinik Essen auf der anderen Seite erlebt?
Mich hat die Schärfe im Ton sehr überrascht. Ich hätte mir gewünscht, dass beide Seiten enger zusammenarbeiten, um die Vorwürfe auszuräumen. Die Zusammenarbeit scheint mir nicht von dem Wunsch geprägt, Probleme zu lösen. Ich hätte mir auch gewünscht, dass da intern noch mehr recherchiert wird, bevor so ein Bericht öffentlich gemacht wird.
Sie sind durch Ihre Tätigkeit im Verband „Lebertransplantierte Deutschland“ gut in diesem Bereich vernetzt. Welche Folgen erwarten Sie für das Thema Organspende durch den Streit?
Sicher keine positiven. Es ist eine schlechte Nachricht. Wahrscheinlich wird die Bereitschaft, Organe zu spenden, wieder erheblich negativ beeinflusst. Das ist mehr als bedauerlich. Es wird über die 33 Fälle aus dem Bericht in Essen gesprochen. Und nicht über die vielen Tausend Menschen, die durch eine Organ-Transplantation heute überhaupt noch leben. So wie ich.