Essen. . Die 80 Essener Mitglieder der Bahà’i-Gemeinde feiern den 200. Jahrestages ihres Religionsgründers. Verstärkte Präsenz in der Öffentlichkeit.

Der Glaube an Gott fehlte Timo Dreier nie, doch wenngleich seine beiden Großväter Pastoren waren und er selbst sich im Presbyterium engagierte, wurde er nicht richtig warm mit dem Christentum. Bei einer anderen Religion fühlt sich der 32-Jährige besser aufgehoben: Er ist eins von 80 Essener Mitgliedern der Bahà’i-Gemeinde – eine der kleinsten religiösen Gemeinden der Stadt. Zum 200. Geburtstag ihres Religionsgründers Baha’ullah wollen sich die Bahà’i nun stärker nach außen präsentieren.

Materielles ist nicht wichtig

„Ich habe eine große Differenz festgestellt zwischen Glaube, Religion und Kirche“, erinnert sich Timo Dreier an seine Probleme mit dem Christentum. In einem Internetchat habe er dann von Bahà’itum erfahren: „Ich wurde neugierig, bin schließlich zu Andachten mitgegangen und habe schnell festgestellt: Hier bin ich Zuhause.“ In seiner früheren Gemeinde kreisten sich viele Dinge um Fragen wie „Was ist dein Beruf?“ oder „Welches Auto fährst du?“ – solcherlei materielle Dinge spielten im Bahà’itum keine Rolle. „Wir begreifen den Menschen als geistiges Wesen“, stellt er fest. Die sei eine Einstellung, die die Welt brauche, ist er überzeugt – „und sie passt auch sehr gut zu mir persönlich.“

Diese Einstellung spiegelt sich auch in den Räumlichkeiten der Gemeinde in der Essener Innenstadt wieder: Im Gemeinschaftsraum, in dem Feiern und Andachten stattfinden, stehen simple Stühle, ein Glastisch, ein paar Kerzen brennen. Es erinnert eher an ein schlichtes Wohnzimmer denn an einen kirchlichen Raum mit seinen Symbolen und Heiligtümern. Die übrigen Räume – inklusive Spielzimmer für Kinder – unterstreichen diesen Eindruck. „Dass wir überhaupt einen Gemeinderaum haben, ist schon etwas Besonderes“, so Dreier. „In vielen anderen Gemeinden trifft man sich einfach bei Mitgliedern zuhause.“ Auch auf Rituale verzichten die Bahà’i.

Seinen bisherigen Glauben habe Timo Dreier nicht in Frage stellen müssen: „Mir ist Jesus sogar viel verständlicher geworden.“ Außerdem: 2000 Jahre warteten die Christen nun auf die Wiederkunft Jesus’. „Das kann auf Dauer recht zermürbend sein“, lächelt er.

Im Iran verfolgt

Dieses Warten ersparen sich die Bahà’i: Sie sehen in ihrem Religionsgründer, der am 12. November 1817 in Teheran geboren wurde, die Manifestation Gottes für das aktuelle Zeitalter. Die anderen monotheistischen Religionen, also das Judentum, das Christentum und den Islam, beziehen die Bahà’i also explizit in ihrem Glauben ein, wenngleich sie sich als die zeitgemäßeste dieser Varianten ansehen: „Jede diese Religionen war für ihre jeweilige Zeit prägend. Das Bahà’itum ist die Religion, die wir heute brauchen“, ist Franziska Heitlindemann – Timo Dreiers damalige Chatpartnerin – überzeugt. Die Hinwendung zum Geistlichen, aber auch die Offenheit und Toleranz gegenüber aller Menschen, unabhängig vom Glauben oder von der Herkunft, seien wichtige Aspekte für die heutige Zeit, so die 30-Jährige. Diese Offenheit, mit der die Bahà’i ihren Mitmenschen begegnen, wird ihnen selbst nicht immer zuteil. In ihrem Ursprungsland Iran ist die größte religiöse Minderheit seit jeher Verfolgungen ausgesetzt. Auch in Deutschland hatte die junge Weltreligion einen schweren Stand, wurde gar als islamische Sekte bezeichnet.

Heute ist das Bahà’itum hierzulande anerkannt. Was auch den Mitgliedern hilft: „Mit meiner Familie gab es keinen Bruch nach meinem Wechsel“, so Dreier. Zum Selbstverständnis ihrer Religion gehöre es auch, über ihren Glauben zu sprechen, ohne das Gegenüber überzeugen zu wollen. „Wir ,missionieren nicht,“ so Heitlindemann, „aber wir haben eine Mission: die Welt zu verbessern.“

Zum 200. Geburtstags ihres Religionsgründerswollen sich die Bahà’i auch in Essen präsentieren – zum Beispiel mit einer Geburtstagsfeier am 22. Oktober.

Auch am interreligiösen Arche-Noah-Fest am 23. und 24. September auf dem Kennedyplatz beteiligen sie sich aktiv. Mehr Infos: essen.bahai.de