Essen-Kray. . Gemeinschaft, Gemüse, 35 bunte Gärten gehören zum Krayer Verein Bonifacius-Joachim. Sie suchen einen Nachfolger für die langjährige Vorsitzende.

Mit neuer Couchgarnitur und Hochglanzküche haben Ursula Gotthardt (78) und Rainer Dinter (74) ihre Laube aufgemöbelt. Draußen blühen Tulpen, im Gewächshaus drängen Zinnien und Tagetes aus der Erde, daneben haben sie die Waldhimbeere vom Enkel eingepflanzt, drinnen steht der Bohneneintopf mit Hackfleisch auf dem Herd. Die beiden Kleingärtner kommen seit Jahren täglich auf ihre Parzelle im Krayer Kleingarten Bonifacius-Joachim.

Für Rainer Dinter beginnt jeder Tag um 6.30 Uhr im Kleingarten, wo er bis abends bleibt. Zu tun ist immer etwas, hacken, jäten, pflanzen, Mittagessen kochen oder im Winter die Vögel füttern. „Was soll ich zu Hause, ich habe doch hier alles“, sagte er. Seit 40 Jahren ist er Kleingärtner, seit 17 Jahren pflegt er eine Parzelle mit seiner Lebensgefährtin, die hier alle nur Uschi nennen. Früher arbeitete Ursula Gotthardt in der Stadtbücherei, heute genießt sie die Stunden im Grünen zwischen Gartenzwergen, Tonschafen und Fröschen sowie die eingeschworene Gemeinschaft, da sich viele seit Jahrzehnten kennen.

Nichtverzehrsempfehlung für Gemüse

© Thomas Gödde

„Ich lebe im Garten“, sagt die 78-Jährige zu dem Stück Land, auf dem sie immer Radieschen, Möhren, Kartoffeln und Blumenkohl angepflanzt und alles gegessen hat. „Ich bin nicht so pingelig“, sagt sie und meint die Nichtverzehrempfehlung für bestimmte Gemüsesorten, die es für ihre Anlage gibt. Denn diese liegt in der Nachbarschaft zu der inzwischen abgewanderten Firma Richter, die lange Zeit für erhöhte PCB-Werte verantwortlich gewesen sein soll. Um diese zu messen, standen Container mit Grünkohl neben ihren Gärten.

Nun hoffen Vereinsmitglieder wie Manfred Thiel auf weitere Messungen und bestenfalls auf Entwarnung, damit auch junge Familien frei werdende Gärten ganz unbesorgt pachten können. Der 69-Jährige ist Schriftführer in dem Verein, der 1984 gegründet wurde. Die Gartenanlage aber gebe es viel länger: „Seit 61 Jahren hat seine Familie hier eine Parzelle.“ Nachfragen von Interessenten gibt es regelmäßig, frei ist derzeit nur ein Garten.

Gartenordnung und Bundeskleingartengesetz gelten

Inzwischen sei vieles nicht mehr ganz so streng, „sonst kriegen wir ja keine

ie Kleingärtner des Vereins Bonifacius-Joachim kennen sich seit Jahren: Ilse Thiel, Rainer Dinter, Brigitta Maris, Uschi Gotthardt und Manfred Thiel (v.l.).
ie Kleingärtner des Vereins Bonifacius-Joachim kennen sich seit Jahren: Ilse Thiel, Rainer Dinter, Brigitta Maris, Uschi Gotthardt und Manfred Thiel (v.l.). © Thomas Gödde

Leute“, sagt die Vorsitzende Brigitta Maris (76). Die Kinder hüpfen daher ausgelassen auf Trampolinen, auch wenn der Stadtverband die Spielgeräte nicht vorsehe. Gartenordnung und Bundeskleingartengesetz gelten aber nach wie vor. Dazu zählen Vorgaben zur Heckenhöhe (1,20 m zum Weg, 80 cm zwischen Gärten). Auch wenn niemand das mit dem Zollstock kontrolliere und sie noch nie vor Gericht gelandet seien, so achteten sie doch auf gepflegte Gärten, sagt Manfred Thiel. „Es muss nicht mustergültig sein“, ergänzt Brigitta Maris, auf einen schönen Anblick und eine gewisse Ordnung legt die Vorsitzende dann aber doch Wert. Was sie stört: zu viel Rasen. „Es soll ja ein Garten und keine Wiese sein“, erklärt sie.

Was sie derzeit allerdings viel mehr beschäftigt als ungepflegte Flächen, ist die Suche nach ihrem Nachfolger. Brigitta Maris möchte ihr Amt nach 17 Jahren niederlegen. „Bislang hat sich kein Interessent gefunden“, bedauert sie und möchte das als Appell verstanden wissen. Sie hofft sehr darauf, dass sich jemand meldet, der Verantwortung übernimmt für den Verein, die 35 Gärten, deren Pächter und bald auch das neue Vereinshaus, auf das sie alle mindestens so stolz sind wie auf ihre Parzellen.

Vereinsheim wird in Eigenregie gebaut

Sie haben das Heim in Eigenregie gebaut, nun wird es bald samt neuer Toiletten, Terrasse und Grill fertig sein. Und sie werden nach fünf Jahren wieder etwas in ihrer Anlage geschafft haben. So wie damals, als sie die Gärten übernommen haben und es weder Strom noch Wasser gab. Das gehört heute dazu wie auch die jungen Familien, die manchem Bergmann als Pächter folgten. Mit ihnen kamen die Kinder, über die sich die Kleingärtner freuen.

Besondere Freude bereitet ihnen auch eine außergewöhnliche Ernte. Rainer Dinter erntete einst die größte Kohlrabi mit einem Durchmesser von 40 cm und fünf Kilo Gewicht. Seinen Erfolg erklärt der erfahrene Kleingärtner mit Liebe.

Familien kommen in die Kleingärten

In Essen beackern rund 9000 Kleingärtner etwa 8500 Parzellen in 109 Vereinen. Zwar stehen Interessenten nicht mehr wie einst Schlange, gleichzeitig sind freie Gärten immer noch die Ausnahme. „Die Nachfrage ist groß“, bestätigt Gerhard Ferdyan, Vorsitzender des Kleingartens Kray-Leithe. „Wir haben großes Glück, dass viele junge Familien mit Kindern zu uns gekommen sind“, sagt er über den Generationenwandel. 58 Parzellen gibt es in der Anlage, die seit 1960 an der Wattenscheider Straße besteht. Nach wie vor gelte, dass auf etwa einem Drittel der Fläche Obst und Gemüse angebaut werden soll. Bei allen Vorgaben, seien die Kleingärtner allerdings realistisch: „Wer 300 qm hat, schafft kaum einen Gemüseanbau auf 100 qm“, sag Ferdyan.

Drei Parzellen hat er gerade neu verpachtet. Eine weitere wird frei, da gibt es allerdings bereits Bewerber. Als schwer vermittelbar erweist sich hingegen seit einem Jahr eine Fläche von 263 qm, da es sich um reines Ackerland ohne Laube handelt. Es darf aber gebaut werden: „Eine Gartenhaus mit 24 qm, mit Flachdach oder Satteldach, das bis zu 3,69 m hoch sein darf“, erklärt der Vorsitzende. Die jährlichen Kosten liegen bei 150 Euro, ohne Strom und Wasser.

Weitere Infos unter: g.ferdyan@kgv-kray-leithe.de

Alle Vereine stehen unter: www.kleingaerten-essen.de