Essen. . Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer hat Bühnenfassung des visionären Dostojewski-Klassikers fürs Grillo-Theater auf zwölf Schauspieler verdichtet
Wenn Hermann Schmidt-Rahmer als Regisseur („Wir sind die Guten“) die Bühne betritt, geht es um gesellschaftlich brisante Themen. Der freie Wille, künstliche Intelligenz, Terror, Werteverfall oder das Leben mit der Datenflut forderten ihn bisher heraus. Die Vorlagen waren zumeist zeitgenössischer Natur. Jetzt hat er sich Dostojewskis „Dämonen“ gestellt und den über 800 Seiten starken Roman von 1872 für das Grillo-Theater in einer eigenen Version verdichtet.
Fjodor Dostojewski ist kein Dramatiker und dennoch in den letzten Jahren bei Theatermachern wie Frank Castorf äußerst gefragt. Hermann Schmidt-Rahmer ergeht es mit „Die Dämonen“ nicht anders: „Eine metaphysische Komponente steckt drin, ein Krimi, eine Komödie.
Die Mechanismen von Stalinismus und Terrorismus
Aber die Geschichte einer gesellschaftlichen Entwicklung, die viele Parallelen zum Heute aufweist, sticht besonders hervor. Auf die bin ich sofort angesprungen“, sagt er. Denn da gehe es um eine aufgeklärte Elterngeneration und deren Söhne, die das Radikale wieder installieren wollen. „Wir sind ja auch eine säkulare, leidenschaftslose Gesellschaft und sehen uns konfrontiert mit nationalen Werten und Religion.“
Der russische Schriftsteller beschreibt in seinem vielschichtigen, überwiegend düsteren Werk die Mechanismen von Stalinismus, Faschismus und Terrorismus. „Wir sehen die Strategie zur Errichtung einer Diktatur mit Zerstörung, Gewalt, Verankerung einer gottgleichen Führerfigur und Einführung einer Avantgarde-Partei. Damit hat Dostojewski das bolschewistische System vorausgesehen. Dieser Roman ist absolut visionär“, erklärt Hermann Schmidt-Rahmer.
Seine Bühnenfassung sei bis auf wenige Worte texttreu. „Das ist Weltliteratur. Die kann man nicht verbessern“, meint der Regisseur, der ansonsten gerne mit Fremdtexten arbeitet. Abspecken musste er trotzdem. Beim Personal zum Beispiel. Auf zwölf Schauspieler konzentriert sich der Abend und auf ein Quartett im Generationenkonflikt.
Brandstifter auf hellem Holz
Zwei Söhne treten gegen ihre Eltern an: Die Grande Dame Warwara sieht sich dem dunklen Charakter ihres charismatischen Nikolai ausgesetzt so wie der Hauslehrer und Schöngeist Stepan seinem Pjotr, der auf perfide Weise einen Umsturz plant. Die beiden bringen die Gesellschaft an den Rand eines Bürgerkrieges. Das Bild des Feuers, das dabei entfacht wird, spielt in Michael Sieberock-Serafimowitschs abstraktem, von hellem Holz dominiertem Bühnenbild eine wesentliche Rolle.
Für historische Anklänge sorgen Kristallleuchter sowie die Kostüme von Ines Burisch. „Die Inszenierung schwebt zwischen den Zeiten. Ich habe keinen Mehrwert darin gesehen, sie in eine heutige Situation zu versetzen“, betont der 56-Jährige.
Nach der Zerstörung von Menschen und Material bleibt das Ende offen und mehr als eine Frage zur Stabilität unserer Demokratie: „Der Glaube, dass wir die Geister unserer Vergangenheit hinter uns gelassen haben, hält uns zusammen. Was aber, wenn dieser Glaube erodiert? Können wir überleben, wenn wir nichts mehr haben, an das wir glauben?“
>>> ROMAN UND BÜHNENFASSUNG
„Die Dämonen“ zählt zu den großen Romanen des Schriftstellers Fjodor Dostojewski (1821 - 1881). In dem psychologisch tiefgründigen und politisch weitsichtigen Werk greift er im vorrevolutionären Russland die historischen Ereignisse rund um den Nihilisten Sergei Netschajew auf, der für den Umsturz der Gesellschaft auch bereit war, Verbrechen zu begehen.
Regisseur und Autor Hermann Schmidt-Rahmer, der derzeit auch an einem aktuellen Stück für das Schauspielhaus Bochum arbeitet und an der Universität der Künste in Berlin lehrt, konzentrierte den Roman in der Bühnenfassung auf rund drei Stunden Theater plus Pause. Die Premiere ist am 29. April, 19.30 Uhr, im Grillo-Theater. Restkarten und weitere Termine: 8122 200