Essen-Rüttenscheid. . Der Borbecker Fotograf Carsten Weber zeigt, wie vielseitig die Kneipenlandschaft in Rüttenscheid ist – aller Systemgastronomie zum Trotz.
Etwas verträumt schweift der Blick von Schlagergott und Drehscheiben-Wirt René Pascal über das Mikrophon hinweg in die Ferne. Patrick Ampütte, Inhaber der gleichnamigen Kultkneipe, lehnt lässig am Tresen und präsentiert der Fotolinse jenes breite Grinsen, mit dem er seine Gäste begrüßt. Und auch Christian Voss aus dem Soul Hellcafé kommt auf dem großen Schwarz-Weiß-Bild als das rüber, was er ist: eine echte Marke.
Genau diese kultigen Wirte-Typen sind es, die der Fotograf Carsten Weber nun in seiner Ausstellung „Kneipentour“ versammelt hat. Im Rahmen der Rüttenscheider Kunstmeile sind die Bilder noch bis Mitte Juni im Café Kötter zu sehen. Danach soll die Ausstellung durch die beteiligten Kneipen wandern.
Idee ist an der Theke entstanden
Die Idee dazu entstand – natürlich – an der Theke. In der Ampütte brachte ihn Kumpel und Kultkellner Rolf Wiegmann auf die Idee: „Rüttenscheid ist leider der einzige Stadtteil in Essen, in dem es überhaupt noch eine funktionierende Kneipenlandschaft gibt“, trauert der Borbecker um viele frühere Lokale in seinem Heimatstadtteil.
Umso engagierter stürzte sich der Hobbyfotograf im vergangenen Frühjahr in das neue Projekt. Gemeinsam mit seinem Vater Dieter Weber, der ihm das Faible fürs Fotografieren vererbte, besuchte der 48-Jährige gezielt inhabergeführte Kneipen und Cafés in Rüttenscheid.
Bei Vater Dieter Weber (76) wurden dabei einige Erinnerungen wach: „In den Kronenstuben habe ich das erste Fußballspiel im Fernsehen gesehen. Da wurde 1954 die Weltmeisterschaft übertragen.“ Für die Bilder nahmen sich Vater und Sohn jede Menge Zeit: „Wir haben mit jedem Wirt erstmal in Ruhe gequatscht. Gerne auch beim Bierchen“, sagt der Werbetechniker, der seine Bilder allesamt selbst ausdruckt und auf Leinwand zieht.
Viel Zeit für Zwischenmenschliches
Das Zwischenmenschliche sieht man den Schwarz-Weiß-Fotos an. Ein Effekt, für den sich Carsten Weber bewusst entschieden hat, wie er erklärt: „So kommen die markanten Typen und die Gesichter viel besser zur Geltung, die bunte Kneipe tritt eher in den Hintergrund.“
Die so entstandenen 22 Großformate belegen, dass die Gastronomie in Rüttenscheid alles andere als austauschbar ist – und die Systemgastronomie zwar auf dem Vormarsch, aber längst nicht bestimmend ist: So besuchte Weber bei seiner Kneipentour alteingesessene Familienbetriebe wie Brenner und Eule ebenso wie hippe Szenelokale wie die Gold- und Banditenbar und Kölsch-Kneipen wie das Gatz und das Früher oder Später. „Vom Rocker- bis zum Schlagertypen ist da alles vertreten. Das ist in Essen wirklich einmalig“, sagt Carsten Weber. Positiv sei ihm aufgefallen, wie gut das Verhältnis unter den Wirten im Stadtteil ist: „Die sehen sich nicht als Konkurrenz, sondern als gegenseitige Bereicherung.“