Essen. . Die Faulbehälter der Klärschlammbehandlungsanlage Langenbrahm im Annental sind gigantische Eier. Aus dem Gas erzeugt der Ruhrverband Ökostrom.

  • Der Ruhrverband betreibt auf dem Gelände der stillgelegten Zeche Langenbrahm eine Klärschlammbehandlungsanlage
  • In den Faulbehältern entsteht bei 37 Grad Gas, aus dem Ökostrom gewonnen wird
  • Ach du dickes Ei: Die beiden Türme erinnern an Ostereier, sind aber tausendmal größer

Ei, Ei, Ei. Christian Lux vom Ruhrverband betrachtet das kleine orangene Ovale in seiner Hand und muss schmunzeln. Direkt hinter ihm erhebt sich ein Riesen-Ei, tausendfach größer als das hartgekochte und gefärbte Osterei.

Das kleine Orangene ist ein Werk der Natur, nur bei der Farbe hat der Mensch ein wenig nachgeholfen. Es ist ein bekanntes Phänomen: Mutter Natur liefert in Hülle und Fülle Muster und Formen, die die erfindungsreiche Spezies Mensch allzu gerne ins tägliches Leben hineinkopiert. So wie die beiden dickbauchigen Mega-Eier, die in Wirklichkeit Herzstück der Klärschlammbehandlungsanlage Langenbrahm sind.

Es scheint, als habe die Hand eines Riesen sie ins Annental gelegt. Doch um die beiden dicksten Eier des Ruhrverbandes zu finden, muss der Suchende beim Streifzug durchs grüne Tal sehr gut aufpassen. Denn zur Straße hin erhebt sich eine hohe begrünte Böschung, so dass nur noch die begehbaren Kuppen der Eier sichtbar sind.

Früher stand hier die Halde der Zeche Langenbrahm

„Das Landschaftsbild sollte durch die Faulbehälter nicht beeinträchtigt werden“, erinnert Lux, Leiter des Regionalbereichs West, an die behördlichen Auflagen beim Bau vor mehr als 15 Jahren. Dass auf diesem nahezu menschenleeren Werksgelände einst die Halde der Zeche Langenbrahm stand, erinnern nur noch ältere Essener. Später wurde sie als wilde Müllkippe oder Moto-Cross-Gelände genutzt.

Um die 35 Meter hohen und gut 9000 Kubikmeter Klärschlamm fassenden Faulturm-Giganten auf einen stabilen Grund setzen zu können, waren immense Vorarbeiten notwendig. Altbergbauprofis wissen: Südlich der A 40 ist Essen nach 200 Jahren Bergbau so löchrig wie ein Schweizer Käse.

„Wir mussten gut 13 Kilometer Bohrungen niederbringen und mehr als 5000 Tonnen Verfüllmaterial in die Hohlräume pressen“, berichtet Lux. Außerdem wurden Berge versetzt. Soll heißen: Bald 200 000 Kubikmeter Haldenmaterial musste abgetragen werden. Damit sich das heraustretende Kohlenflöz nicht entzündet, haben sie eigens eine meterdicke Lehmschicht darüber gelegt.

Leitung bis Kettwig ist 21 km lang

Die Klärschlammbehandlungsanlage selbst sei neuester Stand der Technik, versichert Lux. „State of the Art“, wie die Ruhrverband-Ingenieure gerne sagen. Und so funktioniert’s: Klärschlamm aus den Kläranlagen Kettwig, Kupferdreh und Süd wird über bis zu 21 Kilometer lange Rohre nach Langenbrahm gepumpt.

Gut drei Wochen wälzen sie den Klärschlamm in den luftdichten Riesen-Eiern bei 37 Grad hin- und her. Jeden Tag entweichen den Eiern so bald 9000 Kubikmeter energiereiches Faul- bzw. Methangas: Rohstoff für vier Blockheizkraftwerke, die jedes Jahr fünf Millionen Kilowattstunden Strom liefern: genug um 1500 Haushalte mit Strom zu beliefern.

Abwasser von 330 000 Essenern

Im Keller der Anlage kommen Rohre an, die den Klärschlamm von Kettwig  21 km transportiert haben.
Im Keller der Anlage kommen Rohre an, die den Klärschlamm von Kettwig 21 km transportiert haben. © Christof Köpsel

Den Bauch der Anlage durchzieht ein kilometerlanges Gewirr von Rohren und Kabeln. Die Pumpen und Ventilatoren erzeugen einen Dauer-Brummton. Ohrenstöpsel braucht man nur im Maschinenraum und oben in der Zentrifugenstation, wo sie den Faulschlamm so lange schleudern, bis eine schwarze krümelige Restmasse übrigbleibt. Sie wird auf Laster gepackt und später verbrannt.

Obwohl hier die Hinterlassenschaften von 330 000 Essenern verarbeitet werden, ist die Luft erstaunlich sauber und müffel-frei. Christian Lux, der Ingenieur, fügt hinzu: „Aus den Hinterlassenschaften der Leute erzeugen wir Ökostrom.“

>>>KLÄRSCHLAMM UND DER OVALE BEHÄLTER

Klärschlamm ist zu 97 % flüssig und nur zu 3 % fest.

Die Ei-Form des Behälters hat große Vorteile: Beim Umwälzen des Klärschlamms entsteht eine kreisförmige Strömung, die keine Ablagerungen hinterlässt.

Asche, die beim Verbrennen der Klärschlamm-Restmasse entsteht, landet auf Deponien.