Innenstadt. . Wenn die Lichtburg zum Blick hinter die Kulissen lädt, wird es meist voll. So auch heute. 12 Uhr ist es, im Münster ertönen die Glocken. „Der Bischof läutet“, sagt Bernhard Wilmer zu den wartenden Kinofans. „Dann hätte ich gerne mal Ihre Karten.“ 30 Leute formen eine Schlange, drücken ihm ihre Tickets in die Hand und schieben sich nach und nach an ihm vorbei ins Foyer des Traditionskinos. „Los geht’s!“
Wenn die Lichtburg zum Blick hinter die Kulissen lädt, wird es meist voll. So auch heute. 12 Uhr ist es, im Münster ertönen die Glocken. „Der Bischof läutet“, sagt Bernhard Wilmer zu den wartenden Kinofans. „Dann hätte ich gerne mal Ihre Karten.“ 30 Leute formen eine Schlange, drücken ihm ihre Tickets in die Hand und schieben sich nach und nach an ihm vorbei ins Foyer des Traditionskinos. „Los geht’s!“
Wilmer geht mit seinen Gästen auf eine Zeitreise durch die Geschichte des Hauses. Er spricht zunächst über die 1920er-Jahre, als die Kettwiger Straße noch lange keine Fußgängerzone war – aber die Lichtburg bereits vor 1999 Gästen Filme abspielte. „Sie war damals eines der modernsten Kinos Europas, wohlgemerkt“, sagt Wilmer.
Zerstörung und Wiederaufbau
Im Zweiten Weltkrieg wurde das 1928 eröffnete Haus weitgehend zerstört, das Innere brannte aus, nur die Hülle blieb erhalten. Nach dem Wiederaufbau war die Lichtburg in den Fünfzigern und Sechzigern das deutsche Uraufführungskino schlechthin: „High Noon“ und „Die Brücke am Kwai“ feierten Premiere in der Lichtburg, aber auch jede Menge deutsche Heimatfilme. All das halt, was die Menschen sehen wollten. „Früher konnten die Betreiber das Geld mit der Schubkarre nach Hause fahren. Das änderte sich erst, als sich das Fernsehen immer stärker verbreitete.“
Bernhard Wilmer selbst ist der hiesigen Kinolandschaft seit Jahrzehnten verbunden. Als Kartenabreißer begann er 1981 im Eulenspiegel an der Steeler Straße, schon bald jobbte er dort an der Theke, und kurz darauf ließ er sich auch das Filmvorführen zeigen. Heute ist der 59-Jährige, der einst Vermessungstechniker lernte und Sozialpädagogik studierte, Theaterleiter in der Lichtburg. „Ich hab‘ das alles hier miterlebt, die ganzen Umbauten – und ich finde es total spannend, den Leuten Bereiche des Kinos zu zeigen, die Otto Normalbesucher nicht zu sehen bekommt.“
Zunächst geht es bei seiner Tour in den großen Vorführraum. Dort lassen sich die Teilnehmer in die roten Polstersessel fallen. Beim Blick in den Saal spricht Wilmer über das einstige Kinosterben, das in Essen Anfang der 1970er-Jahre einsetzte. Und er thematisiert die Anstrengungen, die nötig waren, um die Lichtburg als Kino bis heute zu erhalten. „Sie ist ein Juwel“, sagt er. „Dieses Haus ist für die Stadt ein Aushängeschild. Und was wir hier machen, ist eigentlich Stadtmarketing.“
Längst ist die Lichtburg wieder als Premierenkino bekannt. Wilmer erinnert an das Jahr 1998, als Hollywood-Star Pierce Brosnan den Film „Der amerikanische Neffe“ vorstellte. „Während der Vorführung ist Brosnan mit dem Hubschrauber zu einem TV-Auftritt nach Köln geflogen. Aber das Essener Publikum hat davon nichts mitbekommen. Rechtzeitig zum Ende des Films war er wieder zurück.“ Brosnan stieg auf die Bühne und holte sich den Applaus ab – die Aussicht, die er von dort oben genoss, bekommen auch die Teilnehmer der Führung zu sehen. Auch sie erklimmen die Bühne und sehen, wie es hinter dem Vorhang und der 150 Quadratmeter großen Leinwand aussieht. Nach Brosnan folgten etliche weitere Premieren an der Kettwiger Straße. Die größte war 2003, als „Das Wunder von Bern“ zum allerersten Mal über die Leinwand flimmerte.
Heute flimmert nichts mehr. Gestochen scharf sind die Projektionen, die auf die Lichtburg-Leinwand geworfen werden. Auch das Traditionshaus hat längst auf moderne Digitaltechnik umgestellt – könnte aber, sofern es erforderlich ist, auch jederzeit wieder die alten Analog-Projektoren in Betrieb nehmen. Filmrollen liegen noch im Vorführraum bereit, der ebenfalls während der Tour besichtigt wird: „90 Minuten Film summieren sich zu 2,5 Kilometer Filmmaterial“, sagt Wilmer. „Und wenn so eine Rolle einmal hinfällt – und das passiert jedem schon mal, der länger in einem Kino gearbeitet hat, dann ist das nicht lustig. Um das wieder aufzuwickeln, ist man eine ganze Nacht beschäftigt.“
Nach zweieinhalb Stunden endet die Tour in der Filmbar. Im 50er-Jahre-Ambiente blickt Wilmer in die Zukunft des Kinos. „Heute gibt es in Deutschland keinen zweiten Kinosaal, der so gut erhalten ist“, sagt er noch einmal zum Abschluss. „Und damit das so bleibt, gibt es etwas, das jeder von Ihnen tun kann: Gehen Sie ins Kino! So kann jeder dazu beitragen, dass es uns auch in ein paar Jahren noch gibt.“