Essen. . 1360 Essener Familien haben einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz angemeldet. Nun formiert sich der Protest der Eltern gegen die Stadt.
- Zum neuen Kita-Jahr werden vermutlich wieder mehr als 2000 Kinder keinen Betreuungsplatz erhalten
- Schon jetzt haben 1360 Eltern einen Rechtsanspruch angemeldet, die ersten Klagen sind anhängig
- Während die Stadt Notfallmanagement betreibt, schließen sich erste Eltern zum Protest zusammen
Der krasse Mangel an Kita-Plätzen in Essen ruft inzwischen heftigen Elternprotest hervor. Noch bis Ende März werden Zusagen für das neue Kita-Jahr verschickt, das im August beginnt. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass erneut mehr als 2000 Kinder keinen Kita-Platz bekommen werden. „Es ist eine Frechheit“, sagt Theresa Jansen, die zwei Töchter hat.
Die 29-jährige Mutter aus Schuir hat jetzt die Facebook-Gruppe „Kein KiTa-Platz Essen 2017“ gegründet, um sich mit anderen Betroffenen zu vernetzen. Schon im vergangenen Jahr hatte sie versucht, für die damals zweijährige Elsa einen Kita-Platz zu bekommen. Diesmal habe sie sich auch in Mülheim und Velbert umgeschaut, ihr Mann fragte im Betriebskindergarten nach – alles ohne Erfolg. Mit ihrer Facebook-Gruppe will sie den Eltern mehr Durchschlagskraft verschaffen: „Vielleicht können wir gemeinsam Klagen vorbereiten.“
1360 Eltern haben einen Rechtsanspruch angemeldet
An Interessenten dürfte es nicht mangeln: Derzeit haben 1360 Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz angemeldet: 503 für ein Kind über drei Jahren (Ü3), 857 für ein Kind unter drei (U3). Im März 2016 waren es 808 Rechtsansprüche (290 Ü3, 518 U3). Gelingt es der Stadt nicht, den Eltern Kita-Plätze anzubieten, bleibt denen noch der Klageweg. In der Vergangenheit wurde der fast nie beschritten, aktuell sind immerhin drei Klagen beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen anhängig. Zweimal geht es um einen Kita-Platz, im dritten Fall fordern die Eltern die Stadt auf, ihnen die Kosten für eine private Kinderbetreuung zu ersetzen.
Sollten die Eltern Recht bekommen und andere Kläger folgen, könnte es für die Stadt teuer werden: Schon in diesem Kita-Jahr fehlen 2400 Plätze. Die Versorgungsquote bei U3-Kindern liegt damit bei 34 statt angepeilter 40 Prozent, die bei Kindern über drei bei gut 91 statt 100 Prozent (siehe Grafik).
„Es ist eine Katastrophe, so kann man mit den Familien doch nicht umgehen“, ärgert sich Yasha Dahlmann. Schon für seinen Sohn habe er erst im zweiten Anlauf einen Kita-Platz bekommen. Nun hoffte er, die Tochter habe als Geschwisterkind bessere Karten – und wurde wieder enttäuscht. Zig Kitas habe er abtelefoniert, einen Rechtsanspruch angemeldet, immer wieder beim Familienpunkt des Jugendamtes nachgehakt: „Die sind selbst verzweifelt, weil sie so vielen Eltern nicht helfen können.“
Die Stadt schade sich durch eine solche Politik selbst, sagt Dahlmann: Er und seine Frau sind beide Förderschullehrer, „aber einer von uns wird nun erstmal ausfallen“. Wer Neubaugebiete ausweise und um junge Familien werbe, müsse die Infrastruktur anpassen. „Es ist eine unsagbare Ungerechtigkeit, wenn 2000 Kinder leer ausgehen.“
Familienvater: „Wir sollten auf die Barrikaden gehen“
Mit Brückenprojekten oder Sprachbildungsgruppen, die eine zeitweilige Betreuung bieten oder Kinder auf die Einschulung vorbereiten, versucht das Jugendamt die Notlage abzumildern. Doch bis zum Kita-Jahr 2019/20 brauche man 3800 neue Plätze, sagt Jugendamtssprecher Peter Herzogenrath. „2900 sind bereits in Planung.“
Für Yasha Dahlmann ist das ein schwacher Trost, wie Theresa Jansen glaubt er, dass sich die Eltern zusammenschließen sollten: „Wir sollten auf die Barrikaden gehen, den Druck erhöhen.“