Die Leinwand fährt langsam hoch. Irritiert schaut der Betrachter auf ein langes weiß-blaues Gebäude in Mitten von Holsterhausen. Beim zweiten genaueren Hinsehen kommt man drauf: Die JVA. Der Knast. Aus den Lautsprechern: Kinderstimmen. Sie philosophieren über die, die man nicht sehen kann, weil sie ja weggeschlossen sind. Was haben die angestellt? Ist das gerecht, einen Menschen wegzusperren? „Lebenslang ist ein ganzes Leben lang“, meint eine weitere Kinderstimme. Überraschung.
Die Leinwand fährt langsam hoch. Irritiert schaut der Betrachter auf ein langes weiß-blaues Gebäude in Mitten von Holsterhausen. Beim zweiten genaueren Hinsehen kommt man drauf: Die JVA. Der Knast. Aus den Lautsprechern: Kinderstimmen. Sie philosophieren über die, die man nicht sehen kann, weil sie ja weggeschlossen sind. Was haben die angestellt? Ist das gerecht, einen Menschen wegzusperren? „Lebenslang ist ein ganzes Leben lang“, meint eine weitere Kinderstimme. Überraschung.
Wenig später kommt ein JVA-Bediensteter aus dem verschlossenen Trakt heraus und sieht etwas verdutzt den mittelgroßen LKW an, in dem rund 50 Zuschauer hinter getönten Scheiben sitzen und auf die JVA starren. Der umgebaute Lkw, in dem Theaterprojekt Truck genannt, ist Teil einer lebendigen, motorisierten und daher interaktiven Theaterbühne, die noch bis zum 8. April durch Essen fährt. Das Projekt heißt „Truck Tracks Ruhr“ und ist eine Gemeinschaftsaktion von den Urbanen Künsten Ruhr und dem Künstlerensemble Rimini Protokolle.
Zuvor fuhr der Truck durch sechs weitere Ruhrgebietsstädte und wird seine „Tour de Ruhr“ mit seinem siebten Album, so heißen die rund zweistündigen Fahrten an besondere und bizarre Orte, in Essen beenden. Diese Orte werden zum Theaterstück, indem teilweise bekannte Künstler, wie Tobias Dusche oder Michaela Melián, sie umgedeutet haben mit Soundcollagen, Musik, Stimmen oder einführenden Vorgeschichten. Dennoch bleibt der Zuschauer immer alleine mit den Orten zurück. Seiner Imagination sind bewusst keine Grenzen gesetzt. Die Frage, was der Künstler uns damit wohl sagen mag, bleibt zurück. Man muss die sieben Orte im Stadtgebiet auf sich wirken lassen.
Komisch und skurril wird es immer, wenn die rollende Theaterbühne, die mittels des Fußballtor großen Schaufensters die Stadt wie das Portal einer Bühnen rahmt, anhält und die Leinwand hochfährt. Da steht der Truck mal auf einem Bolzplatz und blickt im Abendlicht auf die rote Asche und ein Tor. Dazu hört man einen Trainer während einer Einheit mit seinem Torwart sprechen. Er motiviert seinen Zögling, gibt ihm wichtige Tipps, wie den hier: Spekuliert wird nur an der Börse, aber nie auf’m Platz. Was macht das mit uns? Es erinnert uns an unsere Kindheit. Die Spuren auf der Asche geben Rückschlüsse auf kollektive Erfolgserlebnisse und individuelle Schicksale.
Via Krupp auf der Insel Capri
Als der Truck zum sechsten Mal für fünf Minuten stehen bleibt, fragt der Zuschauer sich: Warum gerade hier? Ist das ein Ort, der, wie von den Machern angekündigt, Essen besonders macht?
Der Truck steht auf einem abseits gelegenen Waldstück und man blickt auf einen Weg. Im Vorspann steht: Alfred Krupp steht für die Verflechtung von Kapital und imperialer Politik.
Die dafür verantwortliche Künstlerin, Michaela Melián, ist selbst an Bord des Trucks. Sie erläutert auf Nachfrage, dass es auf der italienischen Insel Capri wohl einen Weg zu einer Höhle gebe, der „Via Krupp“ heiße. Krupp habe vor langer Zeit dort maßlose Feste gegeben. Sie sagt, dass dieser Ort für den Fall von Krupp im besonderen Maße stehe. Mehr verrät sie leider nicht. Die eindrucksvolle Tour endet auf Zeche Zollverein, einem dieser Orte, die Essen lange geprägt haben.