Essen. . Flüchtlinge, die 16 und älter sind, sind nicht mehr schulpflichtig. Das macht den Zugang zur deutschen Bildung schwer. Ein neues Projekt hilft.
- Die alte Adelkamp-Hauptschule in Frohnhausen wird in ein „Begegnungs- und Bildungszentrum“ erweitert
- Zielgruppe: Flüchtlinge ab 16, die eins von neun Berufskollegs in Essen besuchen
- Das Land NRW gibt eine Lehrerstelle, eine Stiftung aus Gütersloh finanziert einen Großteil des Projekts
Sie nennen es „Begegnungs- und Bildungszentrum“, das klingt vielleicht wenig aufregend, doch das Modell ist ganz neu. Und Essen hat das Glück, eine von fünf Städten in NRW zu sein, die ein solches „Begegnungs- und Bildungszentrum“ bekommen: Die alte Adelkamp-Hauptschule in Frohnhausen, in der derzeit Flüchtlingsklassen vom Kükelhaus-Berufskolleg unterrichtet werden, wird ab Sommer weit mehr als nur ein Schulgebäude sein.
Mit Unterstützung der Stadt, des Landes und der Gütersloher Blüchert-Stiftung soll das Gebäude zu einer zentralen Anlaufstelle für Flüchtlinge ab 16 Jahren werden, die an den neun Berufskollegs in Essen derzeit Unterricht erhalten.
Derzeit gehen rund 640 so genannter „Seiteneinsteiger“ an ein Essener Berufskolleg. Flüchtlinge, die nicht mehr schulpflichtig sind, haben an Berufskollegs oft die einzige Möglichkeit, Zugang zum deutschen Bildungssystem zu erlangen. Für Gymnasien, die sich in Essen ebenfalls sehr für Flüchtlinge engagieren, reicht es oft allein sprachlich nicht.
Essen ist fünfter Standort in NRW für ein solches, neues Bildungszentrum
Nach Dortmund, Münster, dem Kreis Recklinghausen und Bielefeld erhält auch Essen ein solches „Begegnungs- und Bildungszentrum“. Das Land NRW gibt eine ganze Lehrerstelle – ein Pädagoge soll das Projekt leiten, und die Gütersloher Stiftung (siehe Info-Kasten rechts) engagiert sich mit 450 000 Euro für insgesamt drei Jahre. „Doch das Projekt soll dauerhaft laufen“, betonte Stiftungsvorstand Gunter Thielen am Rande der Vertragsunterzeichnung am Dienstagvormittag in Frohnhausen.
Ein Termin, zu dem übrigens sogar NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann angereist war, und das sicher nicht nur wegen des Landtagswahlkampfs: „Wir wissen aus den anderen Städten, dass diese Zentren für Flüchtlinge ab 16 Jahren extrem gut angenommen werden“, erklärte die Ministerin.
Die jungen Flüchtlinge, die häufig ohne Familie aus den Kriegs- und Krisengebieten gekommen sind, fänden in solchen Zentren „sicher nicht eine neue Heimat, aber immerhin so etwas wie ein gutes, neues Zuhause.“
Vormittags gibt es Unterricht und Deutschkurse, am Nachmittag Sport und Freizeit
In der alten Adelkampschule wird es vormittags weiter Unterricht geben, und in der Küche, im Musikraum und in der Turnhalle wird es Sport- und Freizeitangebote geben, hinzu kommt Beratung für Themen wie Recht, Gesundheit und selbstverständlich Ausbildung. Denn ein Ziel ist für alle gleich: einen passenden Schulabschluss zu machen.
In beeindruckendem Deutsch berichteten Flüchtlinge, die erst ein oder anderthalb Jahre in Deutschland sind, was ihnen in Sachen Freizeit vorschwebt: „Ausflüge, Bauchtanz, Instrumente lernen, Hausaufgabenhilfe“ hatten sie auf ein großes Plakat geschrieben – und Entsprechendes vorgetragen. „Diese jungen Menschen“, sagt Stiftungsvorstand Gunter Thielen, „sind eine Bereicherung für unsere Gesellschaft. Doch nur mit Bildung kann ihre Integration gelingen.“
>> WAS IST DIE BLÜCHERT-STIFTUNG
>> Die Walter Blüchert-Stiftung hat ihren Sitz in Hamburg, die Verwaltung der Stiftung sitzt in Gütersloh. Im Jahr 2015 begann die Stiftung ihr Projekt, Bildungs- und Begegnungszentren zu etablieren, in Dortmund. Essen ist mittlerweile der fünfte Standort.
>> Die Blüchert-Stiftung, benannt nach dem Gütersloher Verlagsgründer Walter F. Blüchert (1920–2007), setzt sich für soziale Zwecke und benachteiligte Jugendliche sowie Senioren ein. Blüchert legte die Basis seines Vermögens mit Disney-Lizenzen.